Die Menschen sind von Natur aus gut

Der große Schweizer Denker und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der von 1712 bis 1778 lebte, vertrat die Meinung, dass die wahre Religion vom Herzen komme und keiner religiösen Zeremonien bedürfe. Die Kirche hatte mehrere seiner Bücher verboten, da sie religiösen Ideen verbreiteten, die sich mit der offiziellen Lehre nicht vereinen ließen. Doch den größten Aufruhr verursachten seine politischen Ideen. „Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, erklärte er zu Beginn seines Buchs „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“. Für Nigel Warburton ist es nur allzu verständlich, dass Revolutionäre diese Worte zu ihrem Kampfruf machten, etwas Maximilien Robespierre und andere Anführer der Französischen Revolution. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Das Konkurrenzdenken schädigt die Seele

Die Revolutionäre wollten die Ketten sprengen, die die Reichen so vielen Armen angelegt hatten. Einige von ihnen verhungerten, während die Herren ein luxuriöses Leben führten. Nigel Warburton erklärt: „Die Revolutionäre waren, genau wie Rousseau, wütend über das Verhalten der Reichen, denen es gleichgültig war, dass die Armen kaum genug zu essen hatten. Sie wollten echte Freiheit sowie Gleichheit und Brüderlichkeit.“ Es ist aber nicht anzunehmen, dass Jean-Jacques Rousseau, der ein Jahrzehnt zuvor gestorben war, es gebilligt hätte, das Maximilien Robespierre später seine Feinde mit der Guillotine enthaupten ließ.

Laut Jean-Jacques Rousseau sind die Menschen von Natur aus gut. Wenn die Menschen im Wald sich selbst überlassen leben würden, würden sie wenig Probleme verursachen. Werden sie aber aus dem Naturzustand herausgerissen und in Städte verpflanzt, fängt alles an, schiefzulaufen. Die meisten Menschen denken an nichts anderes mehr, als andere Menschen zu beherrschen und sich überall in den Mittelpunkt zu drängen. Dieses Konkurrenzdenken hat eine verheerende Wirkung auf die Seele, und die Erfindung des Geldes macht alles nur noch schlimmer.

Jean-Jacques Rousseau entwickelt die Idee des „Gemeinwillens“

Die Folge des Zusammenlebens in der Stadt sind für Jean-Jacques Rousseau die Habsucht und der Neid. In der Natur hingegen leben individuelle „edle Wilde“ und sie sind gesund, stark und vor allem frei. Jean-Jacques Rousseau befürchtete, dass die Zivilisation, die Kultur, die Menschen verderben würde. Trotzdem war er zuversichtlich, einen besseren Weg zu finden, um die Gesellschaft neu zu organisieren, eine Weg, der es den Individuen ermöglichen würde, sich frei zu entfalten und ein erfülltes Leben zu führen, was für Harmonie sorgen würde, da alle auf dasselbe gemeinsame Wohl hinarbeiten würden.

Seine Lösung gründete auf der Vorstellung vom „allgemeinen Willen“ oder „Gemeinwillen“. Der Gemeinwille bedeutet das, was das Beste für die gesamte Gemeinschaft, den gesamten Staat, ist. Jean-Jacques Rousseau glaubte, dass es möglich sei, als Individuum in einem Staat frei zu sein und doch die Gesetze zu beachten. Die Ideen von Freiheit und Gehorsam stellten keinen Widerspruch dar, sondern ließen sich miteinander vereinen. Für Jean-Jacques Rousseau besteht die wahre Freiheit darin, Teil einer Gruppe von Menschen zu sein, die das tut, was im Interesse der Gemeinschaft ist. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies