Friedrich Nietzsche postuliert: „Gott ist tot.“

„Gott ist tot“. Das ist der berühmteste Satz des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 -1900). Wörtlich genommen, wollte er nicht sagen, Gott habe zu einer bestimmten Zeit gelebt oder lebe jetzt nicht mehr, sondern eher, dass der Glaube an Gott nicht mehr vernünftig ist. Ganz anders als zum Beispiel bei Immanuel Kant, der seine Gedanken zu einem strengen System ordnete, stürmen die Gedanken bei Friedrich Nietzsche von allen Seiten auf den Leser ein. Nigel Warburton erklärt: „Viele seiner Schriften sind in der Form von kurzen, bruchstückhaften Absätzen und Aphorismen, also Merksätzen, verfasst, einige ironisch, andere ernst, viele deutlich provokant. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Das Fehlen Gottes hob alle Schranken auf

Ein wiederkehrendes Thema ist bei Friedrich Nietzsche, wie es die Menschen in der Zukunft mit der Moral halten wollen. Wenn Gott tot ist, was kommt als Nächstes? Diese Frage stellte sich Friedrich Nietzsche. Seine Antwort lautete, dass den Menschen damit eine Grundlage für die Moral entzogen ist. Die Vorstellungen von Richtig und Falsch, von Gut und Böse ergeben nur Sinn in einer Welt, in der es einen Gott gibt, aber nicht in einer Welt ohne Gott. Klammert man Gott aus, entfernt man auch die Möglichkeit klarer Richtlinien für die Lebensweise und die Wertvorstellungen.

Für Friedrich Nietzsche eröffnet Gottes Tod neue Möglichkeiten für die Menschheit. Diese waren sowohl erschreckend als auch beglückend. Nigel Warburton erläutert: „Der Nachteil bestand darin, dass es kein Sicherheitsnetz gab, keine Regeln für die Lebens- und Verhaltensweise der Menschen. Wo einst die Religion sinnstiftend war und moralische Grenzen vorgegeben hatte, machte das Fehlen Gottes alles möglich und hob alle Schranken auf.“ Der Vorteil war, zumindest aus Friedrich Nietzsches Sicht, dass die Menschen jetzt ihre eigenen Wertvorstellungen für sich entwickeln konnten.

Wertvorstellung sind nicht auf ewig festgelegt

Die Menschen konnten jetzt ihr Leben ohne Religion und ohne Gott wie „Kunstwerke“ gestalten, indem sie ihren eigenen Lebensstil entwarfen. Zudem behauptete Friedrich Nietzsche, dass die moralischen Vorstellungen eine Geschichte haben. Wer die Geschichte kennt, wie er zu seinen Wertvorstellungen gelangt ist, wird begreifen, dass sie nicht auf ewig so festgelegt sind, dass es also kein Verhalten gibt, das „fraglos“ richtig ist. Das Christentum und die christlich-abendländische Moral basierten auf der Annahme, dass alle Menschen gleich sind. Friedrich Nietzsche hielt diese Vorstellung für einen groben Fehler.

Für Friedrich Nietzsche waren Genies wie Ludwig van Beethoven und Shakespeare den Menschen der breiten Masse überlegen. In „Also sprach Zarathustra“ (1883 – 1892) schrieb er über den „Übermenschen“. Darunter versteht er einen fiktiven Menschen, der nicht an konventionelle Moralvorstellungen gebunden ist, sondern sie überwindet und neue Wertvorstellungen schafft. Im Gegensatz zu Immanuel Kant, der die Vernunft über alles stellte, betonte Friedrich Nietzsche immer wieder, dass es vor allem Gefühle und irrationale Triebe sind, die den Menschen lenken und sogar seine Wertvorstellungen beeinflussen. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies