Die Welt existiert als Wille und Vorstellung

Das Leben ist voller Leiden, und es wäre besser, nicht geboren worden zu sein. Nur wenige Menschen haben eine so pessimistische Weltsicht wie Arthur Schopenhauer (1788 – 1860). Seiner Meinung nach sind die Menschen alle in einem Teufelskreis gefangen, in dem sie Dinge wollen, sie bekommen, nur umso gleich wieder neue Dinge zu wollen. Dies setzt sich bis zum Tod fort. Nigel Warburton ergänzt: „Wir sind nie zufrieden, hören nie auf, nach mehr zu verlangen, als wir besitzen. Das ist in der Tat alles sehr deprimierend.“ Aber Arthur Schopenhauers Philosophie ist nicht ganz so düster wie sie klingt. Er dachte, wenn man lediglich das wahre Wesen der Wirklichkeit erkennen würde, käme es zu ganz anderen Verhaltensweisen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Die Wirklichkeit besteht aus dem Willen und der Vorstellung

Arthur Schopenhauers Philosophie ähnelte sehr den Gedanken von Buddha. Buddha lehrte, dass alles Leben Leiden sei, aber er lehrte auch, dass es auf einer Ebene jenseits der Phänomene so etwas wie Individuen, ein Ich oder ein Selbst nicht gibt. Wenn ein Mensch das erkennt, kann er Erleuchtung erlangen. Im Gegensatz zu den meisten anderen abendländischen Philosophen hatte sich Arthur Schopenhauer intensiv mit der östlichen Philosophie beschäftigt. Auch die Philosophie Immanuel Kants hatte auf ihn einen großen Einfluss ausgeübt.

Das wichtigste Werk von Arthur Schopenhauer heißt „Die Welt als Wille und Vorstellung“ und wurde im Jahr 1818 veröffentlicht. Eine erweiterte Fassung präsentierte er 1844. Der Hauptgedanke des Buches ist recht einfach. Nigel Warburton erklärt: „Die Wirklichkeit hat zwei Aspekte, nämlich den Willen und die Vorstellung. Der Wille ist die blinde Antriebskraft, die in fast allen Dingen zu finden ist.“ Er ist überall in der Natur. Der andere Aspekt, die Vorstellungswelt, ist die Welt, die ein Mensch erlebt.

Arthur Schopenhauer glaubt an eine höhere Realität

Die Vorstellungswelt entspricht dem, was sich Menschen vom Verstand er als Wirklichkeit ausmalen. Immanuel Kant nannte es die „phänomenale“ Welt. Durch seine Sinne erlebt der Mensch seine Vorstellungswelt. Das ist die Art und Weise, allem einen Sinn zu verleihen, und dafür braucht man ein Bewusstsein. Dank des Verstandes vermag die Erfahrung alles mit Sinn zu erfüllen. Diese Vorstellungswelt ist die Welt in der man lebt. Aber genau wie Immanuel Kant glaubt Arthur Schopenhauer, dass es eine höhere Realität gibt, die über die Erfahrungen hinaus existiert, jenseits der Welt des äußeren Scheins.

Immanuel Kant nannte dies die noumenale Welt und war der Meinung, dass Menschen keinen direkten Zugang zu ihr haben. Zudem vertrat er die Auffassung, die Wirklichkeit könne aus mehr als nur einem Teil bestehen. Dagegen beschrieb Arthur Schopenhauer die Willenswelt als eine einzige, ungerichtete Kraft hinter allem, was existiert. Menschen erleben die Willenskraft allerdings nicht direkt, kommen ihr aber sehr nahe, wenn sie bewusste Handlungen vollziehen. Deshalb wählte Arthur Schopenhauer den Begriff „Willen“ um die Wirklichkeit zu beschreiben. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies