Institutionen verursachen den Unterschied zwischen Zivilisationen

Der Historiker Niall Ferguson vertritt die These, dass die modernen historischen Ereignisse weniger von den Kräften der Natur, wie dem Wetter, der Geografie oder dem Auftreten von Krankheiten, sondern vielmehr von Institutionen bestimmt werden. Das ist seine Antwort auf die Frage, warum sich die westliche Zivilisation in den streitsüchtigen Kleinstaaten Westeuropas und in deren kolonialen Niederlassungen in der Neuen Welt seit etwa 1500 so viel besser entwickelt hat als andere Zivilisationen. Niall Ferguson fügt hinzu: „Vom Beginn des 16. Jahrhunderts an bis zu den 1970er Jahren gab es eine erstaunliche Divergenz des globalen Lebensstandards: Die Menschen im Westen wurden wesentlich reicher als die übrige Menschheit.“ Niall Ferguson ist Professor für Neuere Geschichte an der Harvard University mit dem Schwerpunkt Finanz- und Wirtschaftsgeschichte sowie Senior Research Fellow an der Oxford University.

Es gibt zwei Phasen oder Muster menschlicher Organisationen

Der große Unterschioded zwischen den Zivilisationen war nicht nur ökonomischer Art, sondern betraf auch die Gesundheit. Niall Ferguson nennt ein Beispiel: „Noch 1960 lag in China die durchschnittliche Lebenserwartung bei etwas mehr als vierzig Jahren, während sie in den Vereinigten Staaten die Marke von siebzig Jahren erreicht hatte.“ Auch im Reich der Wissenschaft wie in der populären Kultur war der Westen einsame Spitze. In erstaunlichem Umfang dominierte er weiterhin die Welt, auch nachdem rund ein Dutzend Imperien, das letzte war die Sowjetunion, untergegangen waren.

Die Ursache der großen Divergenz sind laut Niall Ferguson die Institutionen. Douglass North, John Wallis und Barry Weingast unterscheiden zwei Phasen oder Muster menschlicher Organisationen. Das erste Muster bezeichnen sie als den natürlichen Zustand der Ordnung mit Zugangsbeschränkung. Dies ist gekennzeichnet durch ein langsames Wirtschaftswachstum, relativ wenige staatliche Organisationen, eine kleine zentralisierte Regierung, die ohne Zustimmung der Regierten herrscht sowie auf persönlichen und dynastischen Verbindungen beruhende Sozialbeziehungen.

England entwickelte sich von einem Naturstaat zu einem reifen Staat

Die zweite Phase der Ordnung mit Zugangsfreiheit zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: ein schnelles Wirtschaftswachstum, eine mannigfaltige, lebendige Zivilgesellschaft mit vielen Organisationen und eine größere, dezentralere Regierungsform. Dazu kommen Sozialbeziehungen, die von unpersönlichen Kräften wie dem Rechtstaat bestimmt werden und Eigentumsrechte, Rechtssicherheit und zumindest theoretisch Gleichheit vor dem Gesetz garantieren.

Douglass North, John Wallis und Barry Weingast haben bei ihren Studien herausgefunden, dass die Westeuropäer, angeführt von den Briten, die Ersten waren, die von der Zugangsbeschränkung zur Zugangsfreiheit übergingen. Niall Ferguson fügt hinzu: „In der Zeit zwischen der normannischen Eroberung und der Glorreichen Revolution entwickelte sich England von einem fragilen Naturstaat zunächst zu einem elementaren und dann zu einem reifen Staat, der durch das Vorhandensein zahlreicher Institutionen gekennzeichnet war.

Von Hans Klumbies