Michelangelo betrachtete sich als den zweiter Schöpfer der Welt

Das Künstlergenie Michelangelo, das von 1475 bis 1564 lebte, starb am 18. Februar von 450 Jahren. Michelangelo malte und arbeitete nicht nur für seine Zeitgenossen, sondern es ging ihm immer um die ganze Menschheit, die sich in seiner Kunst wiederfinden sollte, überall und zu allen Zeiten. Denn was Michelangelo schuf, war von universaler Wahrheit. Deshalb hat auch die Würdigung seiner Kunst durch späterer Generationen erwartet. Er sah in sich selbst so etwas wie einen zweiten Schöpfer der Welt. Deswegen sieht der Gott an der Decke der Sixtinischen Kapelle mit seinem langen Bart Michelangelo sehr ähnlich. Er stellt Gott als dynamische Gestalt dar, die über die Bildfelder tanzt, das Helle vom Dunklen trennt, Sterne, Tiere, Pflanzen und schließlich den Menschen erschafft.

Michelangelo hält die Melancholie für eine Bedingung des freien Denkens

Was Michelangelo bei aller Brillanz auszeichnet, ist, dass er sich nie gänzlich dem Größenwahn hingibt. An der Decke der Sixtinischen Kapelle porträtiert er sich zum Beispiel selbst in der Pose eines Denkers und Grüblers. Er selbst steht dabei Modell für den schwermütigen Propheten Jeremias. Immer hält Michelangelo das eigene Scheitern für möglich und beklagt seine Grenzen, die jedoch weit über den Horizont der gewöhnlichen Menschen hinausgehen. Bis zu seinem Tod quält ihn der Gedanke, dass er das Grabdenkmal von Papst Julius II. nicht fertigstellen kann, da an dem Monument ständig Änderungen vorgenommen werden sollen.

Im „Jüngsten Gericht“, dem gigantischen Wandfresko im Vatikan, das er 1541 fertigstellt, malt er sich selbst in nächster Nähe des Weltenrichters Jesus Christi. Er porträtiert sich in einer Gestalt, der vom Körper abgezogenen menschlichen Haut, die der Heilige Bartholomäus in der Hand hält. Michelangelo hält die Melancholie, wie auch einige seiner Zeitgenossen, höchstwahrscheinlich für eine Tugend, ja sogar für eine Bedingung des freien Denkens. Aus seiner schlechten Laune macht er niemals ein Hehl.

Papst Julius II. gewährt Michelangelo alle künstlerischen Freiheiten

Michelangelo scheint zu wissen, dass es manchmal besser ist, gefürchtet als gemocht zu werden. In Rom nennen sie ihn wahrscheinlich nicht ohne Grund den Schrecklichen. Papst Julius II., ein Choleriker, und Michelangelo schätzen sich. Julius II. traut dem grandiosen Künstler die ganz großen Aufgaben zu. Obwohl Michelangelo seine Unabhängigkeit heilig ist, kehrt er immer wieder freiwillig, aber missmutig zu seinem päpstlichen Auftraggeber zurück. Denn der Herrscher gewährt dem Maler und Bildhauer Freiheiten, wie wohl noch kein bildender Künstler im Zentrum der Macht genießen durfte.

Michelangelo kann und will einfach nicht auf Befehl arbeiten. Er wollte eine Vision entwickeln von einer freieren Welt, ohne von hohem Stand zu sein oder sich in der Kirchenhierarchie hochbuckeln zu müssen. An der Decke der Sixtinischen Kapelle arrangiert der Maler seine Bilder ganz nach seinem eigenen Geschmack. Viele Bilder, die Michelangelo für den Vatikan gemalt hat, legen Zeugnis davon ab, wie ein Leben in Frieden möglich sein könnte. Durch die Liebe Gottes, wie sie sich auch in seinem Fingerzeig an Adam auf unnachahmliche Weise ausdrückt. Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies