Die Geduld beeinflusst wesentlich die Gesundheit der Menschen

Für viele Menschen mag es zunächst einmal überraschend wirken, dass ein experimentell erhobenes Maß für Geduld etwas mit dem Gesundheitszustand eines Menschen zu tun haben soll. Unter Geduld versteht Matthias Sutter in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, einem Impuls für unmittelbare Belohnung widerstehen zu können, um auf eine bessere Möglichkeit in der Zukunft zu warten beziehungsweise darauf hinzuarbeiten. Viele Entscheidungen, die die Gesundheit eines Menschen beeinflussen, erfordert ein ähnliches Abwägen. Wenn ein Mensch zum Beispiel gerne sportlicher wäre, dann müsste er zu trainieren beginnen oder sich zumindest regelmäßig bewegen. Matthias Sutter fügt hinzu: „Das erfordert Konsequenz und Ausdauer, weil sich der sportliche Zustand nicht von heute auf morgen durch ein kurzes Jogging verbessern lässt.“ Matthias Sutter, geboren 1968, ist Professor für Angewandte Ökonomie am European University Institute in Florenz und Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Innsbruck. Er zählt zu den produktivsten Experimental-Ökonomen seiner Generation.

Rauchen kann im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein

Wer abnehmen möchte, muss einerseits der Verlockung widerstehen, die gewohnte, meist große Menge Essen zu sich zu nehmen, andererseits aber auch gesündere Speisen essen und sich sportlich betätigen. Wie oft lassen sich die Betroffenen von einer guten Tafel Schokolade in Versuchung führen, obwohl der gesunde Apfel in der Obstschüssel daneben liegt. Als weiteres Beispiel nennt Matthias Sutter den Wunsch vieler Menschen, sich das Rauchen abzugewöhnen. Das erfordert ebenfalls kurzfristig einen Verzicht auf den Genuss des Rauchens, um langfristig einen besseren Gesundheitszustand zu erreichen.

Matthias Sutter hat bei seinen Studien herausgefunden, dass das Maß an Geduld und Selbstkontrolle im Kindesalter eine gute Prognose dafür liefert, ob jemand als Erwachsener raucht, Alkohol trinkt oder übergewichtig ist. Allerdings ist es natürlich auch nicht so, dass jeder, der relativ ungeduldig ist, automatisch raucht und Alkohol trinkt. Für die Ärzte besteht kein Zweifel: „Rauchen beeinträchtigt langfristig die menschliche Gesundheit enorm und kann bei häufigem und starkem Konsum im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein.“

Süchtige treffen nur wenige zukunftsorientierte Entscheidungen

Mehrere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Raucher ungeduldiger als Nichtraucher sind. Ähnlich wie beim Rauchen ist bewiesen, dass auch der Konsum von Alkohol in großen Mengen sehr gesundheitsschädlich wirken kann. Matthias Sutter erläutert: „Verhaltensökonomische Studien zeigen, dass sich Personen, die nur gelegentlich und in geringen Mengen Alkohol trinken, im Hinblick auf ihre Geduld nicht von Personen unterscheiden, die praktisch keinen Alkohol trinken. Das ist anders bei Personen, die sehr viel trinken, und bei solchen, die bereits als Alkoholiker bezeichnet werden müssen.“

Wenn diese Gruppe von Menschen mit starkem Alkoholkonsum Entscheidungen zwischen einem geringerem Geldbetrag in der Gegenwart und einem größeren in der Zukunft treffen muss, dann wählt sie sehr viel häufiger den geringeren Geldbetrag, als das eine Kontrollgruppe von Menschen tut, die nur selten oder gar keinen Alkohol trinkt. Matthias Sutter zieht daraus folgendes Fazit: „Das bedeutet, dass Menschen, die sich in einem Vorstadium der Alkoholsucht befinden oder bereits süchtig sind, deutlich weniger zukunftsorientierte Handlungen treffen, als das Menschen ohne Suchtverhalten tun.“

Von Hans Klumbies