Markus Gabriel zeigt dem Materialismus seine Grenzen auf

Für Markus Gabriel ist eine klare Unterscheidung zwischen Physikalismus und Materialismus wichtig. Er definiert beide wie folgt: „Während der Physikalismus behauptet, dass sich alles Existierende im Universum befindet und deswegen physikalisch untersucht werden kann, behauptet der Materialismus, dass alles Existierende materiell ist.“ In seiner klassischen Spielart des Atomismus vertritt der Materialismus die These, dass es in Wahrheit nur Atome gibt. Etwa die gerade aktuellen „Gottesteilchen“, die Grundbausteine der Materie und die Leere drum herum. Alles Existierende besteht dem Materialismus zufolge aus grundlegenden Elementarteilchen, aus denen sich alles zusammensetzen lässt. Materialisten nehmen an, dass selbst Erinnerungen und Einbildungen als Gehirnzustände materiell sind, obwohl die Gegenstände, an die sich ein Mensch erinnert oder die er sich einbildet, nicht materiell sein müssen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

Die Theorie des Materialismus hat zwei schwerwiegende Probleme

Der Materialismus ist für Markus Gabriel nicht nur keine naturwissenschaftlich beweisbare Aussage, sondern schlicht falsch. Dies lässt sich seiner Meinung nach anhand von zwei besonders schwerwiegenden Problemen des Materialismus belegen. Markus Gabriel erklärt: „Für den Materialisten existiert alles scheinbar Nichtmaterielle sozusagen nur als Anhang des Materiellen.“ Die vollständige Welterklärung der Materialisten könnte also lauten: alles Existenzielle ist materiell, alles scheinbar Nichtmaterielle kommt nur als Hirngespinst vor.

Das erste Problem des Materialismus ist laut Markus Gabriel dasjenige der Identifikation. Das heißt, der Materialismus muss die Existenz von Vorstellungen zuerst anerkennen, um sie im nächsten Schritt leugnen zu können. Das ist ein Widerspruch. Das zweite ziemlich verheerende Problem des Materialismus besteht für Markus Gabriel darin, dass der Materialismus selbst nicht materiell ist. Es handelt sich beim Materialismus um eine Theorie, nach der alles ohne Ausnahme nur aus materiellen Gegenständen, seinen es Elementarteilchen oder was auch immer, besteht.

Beim Materialismus oder Physikalismus handelt es sich um zwei große Irrtümer

Wenn dies wahr wäre, dann wäre die Wahrheit der Theorie des Materialismus auch eine Konfiguration von Elementarteilchen, die sich beispielsweise in der Form neuronaler Zustände des Gehirns des Materialisten manifestiert. Allerdings ist ein Gedanke laut Markus Gabriel keineswegs dadurch wahr, dass er ein Gehirnzustand ist. Er fügt hinzu: „Die Wahrheit eines Gedankens kann nicht damit identisch sein, dass sich jemand in einem bestimmten neuronalen Zustand befindet.“

Es ist für Markus Gabriel völlig unklar, wie man sich überhaupt ein materialistisches Konzept von Wahrheit oder Erkenntnis vorzustellen hat. Denn die Wahrheit selbst wird seiner Meinung nach wohl kaum ein Elementarteilchen sein oder aus Elementarteilchen bestehen. Beim Materialismus oder Physikalismus handelt es sich also um ziemlich große Irrtümer. Markus Gabriel nennt den Grund: „Sie verwechseln einen bestimmten Gegenstandbereich mit dem Ganzen, so als wenn ein Naturwissenschaftler einem Zugschaffner mitteilte, dass dieser letztlich gar nicht existiert, sondern nur ein Partikelhaufen ist.“  

Von Hans Klumbies