Johann Gottlieb Fichte war der Großmeister der Ich-Philosophie

Der Großmeister der Ich-Philosophie ist Johann Gottlieb Fichte. Dieser wurde seiner Zeit durch Immanuel Kant berühmt gemacht, der dessen erstes Werk, „Versuch einer Critik aller Offenbarung“ von 1792, geschickt über seinen Verleger anonym publizierte, so dass die damaligen Leser glaubten, es sein ein neues Buch Immanuel Kants. Markus Gabriel fügt hinzu: „Auf diese Weise erlangte Johann Gottlieb Fichte 1794 seine erste Anstellung als Professor in Jena, die er im Rahmen des berühmten Atheismusstreits verlassen musste – wobei Fichte aus vielen Gründen unter anderem ein Dorn im Auge Goethes war, der damals der für die Universität Jena zuständige Minister war.“ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Das Ich ist ein kleiner Gott auf Erden

Johann Wolfgang von Goethe hielt nicht viel von der Vorstellung, das Ich sein ein kleiner Gott auf Erden, da er vielmehr der Meinung war, Göttliches ließe sich eher in der Natur als im Menschen finden. Schon der Titel seines Erstlingswerks lässt Markus Gabriel darauf schließen, dass Johann Gottlieb Fichte sich wohl nicht ganz ahnungslos in die Nähe des Atheismus begibt. Der Philosoph war zeit seines Lebens sozial und politisch aktiv. Er ist ein typisches Genie aus armen Schichten des 18. Jahrhunderts, das durch die Gnade eines Gutsherrn erkannt und gefördert wurde.

Johann Gottlieb Fichte war der erste Philosoph, der einen Zusammenhang zwischen der Autonomie des Ich und seiner Anerkennung durch andere hergestellt hat. Damit wurde er auch zum Erfinder des sozialen Interaktionismus, auf den er seinen Rechts- und Staatsphilosophie gegründet hat. Markus Gabriel ergänzt: „Fichte ist allerdings besonders bekannt dadurch, dass er sich die Frage vorgenommen hat, wer oder was eigentlich das Ich ist. In diesem Zusammenhang hat er sein philosophisches Programm entwickelt, dem er den Namen „die Wissenschaftslehre“ gegeben hat.

Markus Gabriel stellt den Grundgedanken der Wissenschaftslehre vor. Es gibt demnach verschiedene Wissensgebiete, deren Grundzügen den Schülern schon in der Grundschule beigebracht werden: Mathematik, Erdkunde, Deutsch, Sport und so weiter. Was man dabei lernt, sind nicht nur Inhalte, sondern auch, wie man überhaupt lernt. Demnach kann man sich die Frage stellen, ob es nicht einen gemeinsamen Nenner aller Wissensgebiete gibt, da sie alle irgendwie eine gemeinsame, verbindende Form haben müssen, handelt es sich doch immer darum, das man etwas lernt.

Fichtes Wissenschaftslehre untersucht, wie eigentlich Form und Inhalt des Wissens zusammenhängen. Fichte verfolgt, wie schon Platon, die Absicht, die Menschen darauf hinzuweisen, dass sie alle mit Vernunft begabt sind. Markus Gabriel erklärt: „Das bedeutet eben, dass wir von anderen etwas lernen können, weil wir die Fähigkeit, etwas zu wissen, mit allen Menschen teilen. Dies bezeichnet man als Vernunftuniversalismus, was eine Grundannahme der Aufklärung ist.“ Weiterhin nimmt Johann Gottlieb Fichte an, dass die Form alles Wissens daher rührt, dass Menschen überhaupt etwas verstehen können. Quelle: „Ich ist nicht Gehirn“ von Markus Gabriel