Die Würde des Menschen ist unantastbar

Der Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Menschenwürde und Menschenrechte hängen für Markus Gabriel begrifflich zusammen. Es war Immanuel Kant, der eine berühmte Unterscheidung zwischen Würde und Wert formulierte: „Alles hat entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ An dieser Stelle spricht Immanuel Kant auch von einer Bedingung dafür, dass etwas Zweck an sich selbst sein kann. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Natürliche Ereignisse können vollständig verstanden werden

Immanuel Kant zufolge kommt den Menschen Würde zu, weil sie im „Reich der Zwecke“ leben. Markus Gabriel erklärt: „Das Reich der Zwecke ist eine Ordnung von Begriffen, die wir anwenden, um uns menschliche Handlungen verständlich zu machen.“ Dazu gehören zum Beispiel Begriffe wie Freundschaft, Betrug, Geschenk, Revolution, Reform oder Geschichte. Diese Begriffe unterscheiden sich von denen, die ein Mensch verwendet, um sich die Vorgänge in der Natur verständlich zu machen, die auch ohne menschliches Zutun automatisch ablaufen.

Handlungen werden von natürlichen Ereignissen gerne dadurch unterschieden, dass ein natürliches Ereignis vollständig verstanden werden kann, auch wenn man keinerlei Zwecke in Betracht zieht. Deshalb sind natürliche Ereignisse unfreiwillig. Markus Gabriel ergänzt: „Dabei besteht ein großer Teil der menschlichen Zivilisation darin, dass wir natürliche Ereignisse rund um den menschlichen Körper verdrängen oder zumindest verschönern.“ Ein menschenwürdiges Leben ist eine Existenz, die sich im „Reich der Zwecke“ bewegen kann.

Durch Selbstvergöttlichung werden Menschen unmenschlich

Menschen sind in dem Sinne freier als andere Tierarten, als sie dank der Zivilisation und der Geistesgeschichte aktiv und selbstbewusst daran arbeiten und dass sie nicht mehr primär von harten Ursachen gesteuert werden. Markus Gabriel erläutert: „Wir stellen sozusagen weiche Handlungsbedingungen her, durch die wir uns von den Ursachen teilweise befreien.“ Würde ist nach Immanuel Kant ein innerer Wert, den Markus Gabriel in der Tatsache begründet sieht, dass menschliche Handlungen frei sind.

Der amerikanische Philosoph Stanley Cavell hat das Diktum aufgestellt, dass nichts menschlicher sei als der Wunsch, kein Mensch zu sein. Jean-Paul Sartre hat eine ganz ähnliche These vertreten, nämlich die These, dass ein großer Teil des menschlichen Verhaltens darauf zielt, sich von der eigenen Freiheit loszusprechen. So erklärt Jean-Paul Sartre, der „Mensch ist grundlegend Begierde, Gott zu sein“. Dies nennt Markus Gabriel eine Verrohung von oben: „Durch Selbstvergöttlichung werden Menschen unmenschlich.“ Quelle: „Ich ist nicht Gehirn“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies