Männer haben keine Wechseljahre

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Testosteronmangel nicht der Grund dafür ist, dass die Potenz und Leistungsfähigkeit des Mannes im Alter nachlassen. Im New England Yournal of Medicine berichten Hormonexperten und Epidemiologen, Erektionsstörungen, nachlassende Leistungskraft und Antriebsschwäche von Männern seinen nicht oder nur in einem minimalen Prozentbereich auf den Testosteronspiegel zurückzuführen. Der Leiter einer wissenschaftlichen Studie von der Universität Manchester, Frederick Wu, stellt klar: „Viele angeblich typischen Symptome gehen nicht mit niedrigeren Testosteron-Werten einher.“

Die Laborfixierung der Medizin ist eine Katastrophe

Die aktuelle Studie verdeutlicht, dass die Symptome eines vermuteten Mangels an Testosteron in den seltensten Fällen etwas mit dem Hormonspiegel zu tun haben. Lediglich drei Störungen haben mit etwas erniedrigten Testosteronwerten zu tun: Erektionsstörungen, ausbleibende sexuelle Phantasien und seltene Erektionen in den Morgenstunden. Frederick Wu relativiert die Befunde: „Aber auch hier war der Unterschied zwischen beschwerdefreien Männern und Männern mit Beschwerden minimal.“

Der Hormonexperte und Chefarzt an der Ludwig-Maximilians Universität München, Dr. Martin Reinecke kritisiert die Einspurigkeit im Bereich der Testosteronforschung: „Die Laborfixierung der Medizin ist ein modernes Übel und eine große Katastrophe. Klinische Symptome und Laborwerte zusammen machen die Diagnose – nicht die Laborwerte alleine.“ Frederick Wu stellte fest, dass nur bei zwei Prozent der älteren Männern erniedrige Hormonwerte eine Unterfunktion der Keimdrüsen bestand. Von Wechseljahren, in die angeblich alle Männer einmal kommen sollen, kann deshalb keine Rede sein.

Der Nutzen einer Testosterongabe ist nicht belegt

Bruno Allolio, Hormonexperte an der Universität Würzburg, bestätigt die Befunde von Frederick Wu: „Der Sex-Drive des Mannes erschöpft sich nicht allein im Testosteronspiegel, da ist mehr dahinter.“ Die Studie ergab, dass Hormonmangel für Erektionsstörungen nur bei 0,1 Prozent der Männer zwischen 40 und 50 Jahren die Hauptursache war. Laut Frederick Wu seien dafür auch Übergewicht und andere Leiden verantwortlich. Martin Reinecke zieht aus den Forschungsergebnissen folgende Schlussfolgerung: „Es handelt sich bei den Wechseljahren des Mannes um eine reine Mythenbildung.“

Es kann sogar zu negativen Nebenwirkungen führen, wenn man Männern Testosteron verabreicht, nur weil sie sich schlapp fühlen. Niedrige Testosteronwerte deuten laut der wissenschaftlichen Studie von Frederick Wu eher auf einen normalen Alterungsprozess hin, als auf eine Krankheit, die von einem Arzt behandelt werden müsste. Hormongaben für Männer könnten eher negative Auswirkungen auf die Prostata, das Herz und die Fettwerte haben. Martin Reinecke sagt: „Der Nutzen einer Testosterongabe ist nicht belegt und müsste erst durch zuverlässige Studien abgesichert werden. Der unkritische Einsatz von Testosteron birgt unkalkulierbare gesundheitliche Risiken für die Männer.“

Von Hans Klumbies