Ein Mensch braucht Vertrauen zum Glück

In der Regel zerstört man ein Vertrauensverhältnis, wenn man es durch ein Gespräch zu fassen versucht. Denn die Frage „Kann ich dir eigentlich vertrauen?“ eröffnet nicht eine Diskussion über das Vertrauen, sondern beendet sie. Damit entzieht man dem Vertrauen die Grundlage. Manfred Lütz erklärt: „Vertrauen ist wichtig. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen kann ein Mensch nicht glücklich sein. Was das Leben aber so spannend macht, dass wir gerade das Wichtigste nicht wissen können.“ Ausgerechnet das Wichtigste kann man nicht definieren, kann es nicht in den Griff bekommen und kann sich seiner nicht sicher sein. Wenn das nicht so wäre, dann wäre das Leben nur ein langweiliges, festgelegtes Programm, für das man Gebrauchsanweisungen schreiben könnte, die es jedem ermöglichen würden, sein Leben so zu führen, wie es sich angeblich gehört. Manfred Lütz leitet eine Klinik für psychisch Kranke in Köln.

Die Liebe ist unberechenbar

Einem solchen Leben wäre jedes Geheimnis genommen, jeder persönliche Charakter, jede Vitalität. Das Leben wäre leblos. Manfred Lütz betont: „Um einem Menschen wirklich zu vertrauen, muss man ihm also persönlich begegnen, muss Erfahrungen mit ihm machen, um dadurch die nötige Gewissheit zu erlangen.“ Auch dann kann man enttäuscht werden, weil man sich getäuscht hat. Theoretisches abstraktes Wissen jedenfalls hilft dabei nicht weiter. Nicht nur das Vertrauen ist wichtig, auch die Liebe ist wichtig. Aber auch sie entzieht sich dem bloßen Wissen.

Daher können Bücher über die Liebe die reale Liebe zweier Menschen durchaus gefährden. Manfred Lütz nennt den Grund: „Denn sie schaffen die Illusion, dass die Liebe eine Wissenschaft oder eine Kunst sei, die man erlernen und dann beherrschen könne. So sei man dann Herr seiner Liebe, weil man sie jetzt präzise auf den Begriff gebracht hat.“ Das ist eine Anmaßung. Denn die Liebe gibt es nicht, dass man sie begreifen kann. Die Liebe ist unberechenbar. Sie blitzt im Moment auf. Man kann sich von ihr ergreifen lassen, nicht theoretisch, sondern ganz praktisch.

Es gibt keine ideale Liebe

Vor allem kann man wirkliche Liebe erschüttern, wenn man Liebenden einredet, es gebe so etwas wie eine ideale Liebe. Das „Utopiesyndrom“ hat der österreichisch-amerikanische Psychotherapeut Paul Watzlawick einen psychologischen Irrweg genannt, bei dem das ganze Streben eines Menschen mit aller Kraft und großer Ausdauer auf ein unerreichbares Ziel gerichtet ist. Es gibt kaum etwas Hinterlistigeres, als einem glücklich liebenden Ehepaar ein Buch über die ideale Liebe zu schenken mit dem Hinweis: Unbedingt lesen!

Dann besteht nämlich die gute Aussicht, dass diese reale Ehe womöglich bald beendet wird. Denn die schneidet natürlich gegenüber dem Ideal, das im Buch gepriesen wird, immer schlechter ab. Deswegen spricht der Soziologe Ulrich Beck zu Recht davon, dass die Ratgeberliteratur eine Schneise der Verwüstung durch Deutschland schlage. Sie sorgt dafür, dass viele Menschen sich für sich selbst gar nicht mehr kompetent fühlen, sondern alles von Experten erwarten. Und diesen Effekt haben nicht nur gewisse Liebesratgeber und Ehehandbücher, sondern auch die Bücher über das Glück. Quelle: „Wie Sie unbedingt glücklich werden“ von Manfred Lütz

Von Hans Klumbies