Keine menschliche Existenz verläuft ohne Sinnkrisen

Das aktuelle Philosophie Magazin 02/2015 beschäftigt sich in seinem Titelthema mit der Frage: „Machen uns Krisen stärker?“ Krisen sind immer Wendepunkte im Leben eines Menschen. Das Philosophie Magazin beantwortet die Frage, woran es sich entscheidet, ob ein Individuum an ihnen zerbricht oder wächst. Friedrich Nietzsche behauptet: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.“ Seiner Meinung nach besteht jede existenzbedrohende Krise aus einem Konflikt zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Chefredakteur Wolfram Eilenberger erläutert, wie man existentielle Krisen nicht nur überleben, sondern sogar für sich nutzen kann. Ariadne von Schirach dagegen betrachtet den Menschen als ewiges Mangelwesen und meint: und das ist gut so. In einem Dialog suchen der Kulturtheoretiker Thomas Macho und der Autor und Fernsehmann Roger Willemsen nach dem Gleichgewicht zwischen einer beschädigten Existenz und der Liebe zur Welt.

Der Moment der höchsten Krise trägt bereits den Moment der Lösung in sich

Wirklich große menschliche Krisen sind immer auch ideelle Krisen, denn es sind Lebensabschnitte, in denen nicht nur konkrete Aufgaben des Alltags, sondern der Sinn der gesamten Existenz in Zweifel steht. Wolfram Eilenberger erklärt: „Es gibt keine Krise, die nicht immer auch Sinnkrise wäre.“ Tröstlich ist allerdings, dass der Moment der höchsten Krise den Moment der Lösung bereit in sich trägt, genauso wie jede gute, wahrhaft eine Krise durchdringende Frage bereits den Keim eines stärkenden Auswegs enthält.

In einem Gespräch mit dem Philosophen Rainer Forst, Professor für Philosophie und politische Theorie an der Goethe-Universität in Frankfurt, versucht das Philosophie Magazin herauszufinden, was Toleranz eigentlich ist und wo man die Grenze des Tolerierbaren ziehen sollte. Toleranz muss ein Mensch laut Rainer Forst nur dort aufbringen, wo ihn etwas stört. Die absolute Grenze der Toleranz liegt für ihn dort, wo Menschenrechte und grundlegende Normen des Respekts verletzt werden. Wo andere herabgewürdigt und gequält werden, kann es überhaupt keine Toleranz geben.“

Die Lust and der Unterwerfung ist kein modernes Phänomen

Zum Buch des Monats hat diesmal das Philosophie Magazin die Publikation „Warum erwachsen werden?“ der amerikanischen Philosophin Susan Neiman gekürt. Erwachsen werden bedeutet ihrer Meinung nach, die Dinge immer wieder neu zu überdenken. Susan Neiman sieht den Hauptgrund dafür, dass sich viele Menschen mit dem Erwachsenwerden so schwer tun, darin, dass es keine moderne Gesellschaft gibt, in der andere Ideale als die der Jugend und der makellosen Oberflächen einen angemessenen Platz hätten.

In der Rubrik „Horizonte“ beschäftigt sich die Philosophin Svenja Flaßpöhler mit der Lust an der Unterwerfung und welche Logik dahintersteckt. Sie stellt fest: „Wie ein Blick in die Ideengeschichte zeigt, hat die Lust an der Unterwerfung Denker von Nietzsche über Freud bis hin zu Deleuze intensiv beschäftigt und schon lange vor „Shades of Grey“ Eingang in die Populärkultur gefunden. Der Ursprungstext des Masochismus heißt übrigens „Venus im Pelz“ aus dem Jahr 1870 und wurde von Leopold von Sacher-Masoch geschrieben. Das Philosophie Magazin bildet wie immer eine ausgezeichnete Basis für ein selbstständiges Denken. Mehr kann man von einer Zeitschrift nicht verlangen.

Von Hans Klumbies