Ludwig Marcuse denkt über das Glück nach

Es gibt Sehnsüchte, die von der Patina des Alterns verschont werden. Zu diesen ewig Jungen zählt laut Ludwig Marcuse das Glück. Babylonier, Juden, Inder, Griechen, Römer, Chinesen, Unglückliche und Glückliche haben seit Jahrtausenden über das Glücklichsein nachgedacht. So wie es heute Menschen gibt, die sich über das Glück ihre Gedanken machen, wird es auch morgen und übermorgen einen Menschen geben, der sich die Frage stellt: Was ist Glück? Schon 3.000 Jahre bevor „das Streben nach dem Glück“ als ein Grundrecht in die amerikanische Verfassung aufgenommen wurde, stritt Hiob für das Recht auf Glück.

Der Klassiker des Glücks ist Epikur

Selbst Immanuel Kant, der große Aufklärer glaubte, dass jemand existieren muss, der dem Tugendhaften sein Glück verbürgt. Der Klassiker des Glücks ist für Ludwig Marcuse der Grieche Epikur. Dieser war in Leidenschaft für das Glücklichsein entflammt und lehrte, was für ein großes Glück dieses Glück ist und aus wie viel Quellen der Mensch es schöpfen kann. Seit jener Zeit gibt es die Epikuräer, die einen unbändigen Enthusiasmus für das Glück haben und sich außerdem gegen alle Gefahren wappnen, die dem Glück drohen.

Für den größten Epikuräer hält Ludwig Marcuse jenen mysteriösen Mann, den seine Zeitgenossen Ecclesiastes nannten. Dieser war erfüllt vom Gedanken an die Nichtigkeit des Daseins und pries dennoch das unermessliche Glück, auf der Welt zu sein. Er pries es umso leidenschaftlicher, je trostloser er in die Abgründe starrte, an deren Hängen das Glück blühte. Die leidenschaftlichsten Epikuräer waren für Ludwig Marcuse die glückseligen Tragiker, zu denen er auch Friedrich Nietzsche zählt, der sein Buch „Ecce Homo“ mit den herrlichen Worten „Das Glück meines Lebens …“ beginnt.

Die großen Straßen des Glücks sind kerzengerade

Da das epikureische Glück sehr anfällig war, versuchten sich die Denker dadurch zu helfen, dass sie aus dem unglücklichen Alltag ausbrachen. Angestrebt wurde ein Reich der Freiheit, in dem man so frei war, keine Wünsche mehr zu haben. Der Stoiker Seneca riet den Menschen sich von allem unabhängig zu machen, was ihn feindlich treffen kann. Sein Motto „mir kann nichts geschehen“ umgab Seneca und die Seinen mit dem Glücksgefühl der Stoiker.

Auch Augustinus versuchte auf die Art der Stoiker glücklich zu werden, was ihm allerdings misslang. Er fand sein Glück erst im Glauben an den Erlöser. Das Leben des glücklichen Mönchs Psellus lehrt laut Ludwig Marcuse, dass es einen Plural von Glück gibt und dass diese Mehrzahl, die oft den Gesetzen der Logik widerspricht, in Wirklichkeit ausgezeichnet zusammenpasst. Die großen Straßen des Glücks sind allerdings kerzengerade. Zu ihnen zählen die Bahnen der glücklichen Stoiker und der glücklichen Heiligen.

Ebenso schnurgerade ist der Weg des glücklichen Denkers. So hat beispielsweise Baruch Spinoza gesagt, dass er nachdenkt, um glücklich zu werden. Er fand sein Glück im Erkennen und Lieben des Erkannten. Hier handelt es sich um eine Metamorphose der Weisheit „Denken hilft“ in „Denken ist Glück“. Schöner als Baruch Spinoza kann man nicht ausdrücken, was der Mensch tun muss, um glücklich zu sein.

Von Hans Klumbies