Der Mensch muss das Wesen seiner Existenz selbst bestimmen

Søren Kierkegaard vertritt die Ansicht, dass alle Menschen und Situationen einzigartig sind, sodass auch die Entscheidungen und Verpflichtungen ganz individuell getroffen werden müssen. Søren Kierkegaard erhebt auch den Anspruch, den Einzelnen und das Allgemeine zusammenzubringen. Die Pflicht ist für ihn nicht etwas, das sich aus den Abwägungen der Vernunft erschließt, sondern auch etwas Gefühltes, für das vor allem die Tiefe als Maßstab gilt. Søren Kierkegaard schreibt: „Und beim Ethischen kommt es ja nicht auf die Mannigfaltigkeit der Pflichten, sondern auf ihre Intensität an.“ Ludger Pfeil stellt fest: „Viele Menschen fühlen sich heute nicht mehr in gleicher Weise an Prinzipien gebunden, die ihnen von Autoritäten vorgegeben werden, sondern wollen von Fall zu Fall eigenständig entscheiden, was das Richtige in einer bestimmten Situation darstellt.“ Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

Die Wahl eines Menschen hat einen unverlierbaren Wert

Søren Kierkegaard erklärt: „Wenn ein Mensch eine Wahl getroffen hat, so gibt das demselben einen unverlierbaren Wert.“ Der Mensch wird zwar durch die getroffene Entscheidung kein anderer, er entdeckt und bestätigt sich vielmehr als der, der er bereits vorher war. Die ethische Wahl ist ihm allerdings zum „Gesetz des Lebens“ geworden. Er weiß von nun an, dass die Verantwortung bei ihm liegt. Diese Auffassung gilt auch für den französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre (1905 – 1980), der auf seine Weise den Einzelnen und die Menschheit in der Entscheidung zusammenbringt.

In seinem Aufsatz „Ist der Existenzialismus ein Humanismus?“ offenbart Jean-Paul Sartre die philosophische Ernsthaftigkeit des Moralpraktikers. In erstaunlicher Nähe zu Immanuel Kant geht er sogar noch über dessen kategorischen Imperativ hinaus, wenn er verlangt, dass die Menschen sich in jeder ihrer Handlungen bewusst sein müssen, dass sie nicht nur über ihr Leben entscheiden, sondern gleichzeitig einen „Entwurf des Lebens“ prägen. Der Mensch ist von keiner kirchlichen, politischen oder sozialen Autorität oder biologischer Natur auf eine bestimmte Art des Menschseins festgelegt.

Pflichten entstehen nicht aus abstrakten Werten

Aufgrund ihrer Freiheit sind die Menschen gerade dazu verurteilt, das Wesen ihrer Existenz selbst zu bestimmen und die alleinige Verantwortung dafür zu übernehmen. Selbst so eine individuelle Entscheidung wie eine Heirat erhebt für Jean-Paul Sartre den Anspruch, die gesamte Menschheit auf die monogame Ehe festzulegen, indem sie diese Familienstruktur als das richtige propagiert. Jean-Paul Sartre bürdet den Menschen mit diesem unüberschaubaren Bedeutungshorizont ihrer Taten eine fast untragbare Last auf, die mit Recht beängstigen kann.

Dem Pflichtbewussten ist diese Verantwortung völlig klar vor Augen. Er weicht ihr nicht aus, lehnt sie nicht ab und verdrängt sie nicht. Sie motiviert ihn vielmehr zur sorgfältigen Abwägung seiner Handlungsalternativen und bestärkt ihn darin, sie umzusetzen. Pflichten entstehen nicht nur aus abstrakten Werten wie Freiheit und Vaterlandsliebe, sondern auch aus den vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen – zwischen Sohn und Mutter, andere zwischen Lebenspartnern oder zwischen Freunden. Quelle: „Du lebst, was du denkst“ von Ludger Pfeil

Von Hans Klumbies