Kwame Anthony Appiah verteidigt die Moralphilosophie

Professor Kwame Anthony Appiah, der in Princeton lehrt, stellt sich einem derzeit vorhandenen Zweifel, die mit der aktuellen Moralphilosophie zu tun hat. Er beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob die Philosophie die Erkenntnisse der Naturwissenschaften genügend in ihre Theorien einbezieht. In seinem Buch „Ethische Experimente. Übungen zum guten Leben“, hat er versucht, die Arbeit des Moralphilosophen mit der Tätigkeit von Wissenschaftlern aus anderen Fachgebieten und mit den Fragen eines denkenden Menschen zu verbinden.

Der tugendhafte Charakter

Kwame Anthony Appiah verteidigt die Tugendethik gegen ihre Kritiker. Eine zentrale Rolle in der Ethik von der Tugend spielt der Charakter des Menschen. Denn moralisch gut ist und handelt ein Mensch, der einen tugendhaften Charakter hat. Dazu zählen die Tugenden der Hilfsbereitschaft, der Freundlichkeit und des Muts. Dieser Mensch hilft, wenn er sieht, dass ein anderer Mensch in Not ist.

Die Psychologie hat jetzt allerdings aufgrund von Experimenten herausgefunden, dass diese Idee nicht dem menschlichen Charakter entspricht. Für die Psychologen handelt der Mensch nicht aus prinzipieller Hilfsbereitschaft, sondern abhängig davon, ob er zuvor eine positive oder negative Erfahrung gemacht hat. Diese können moralisch völlig bedeutungslos sein, wie Motorenlärm in der Stadt oder ein gutes Frühstück. Die Motivationen beziehen sich also immer auf Situationen, und sind nicht auf einen festen Charakter angewiesen.

Die Forderungen der Moral und die Natur des Menschen

Die Kritik an der Tugendethik lautet jetzt, dass sie ein unerreichbares Ziel vorgebe, was nicht richtig sei, da sie einem falschen Menschenbild hinterherlaufe. Kwame Anthony Appiah spielt den Vermittler, indem er einen dritten Weg zwischen den Forderungen der Moral und der Natur des Menschen sucht. Allerdings kommt er hier zu dem Schluss, dass man von einem Ideal nicht einfach deshalb abweichen dürfe, weil es schwer zu erreichen sei.

Kwame Anthony Appiah stellt sich auch den Kritikern, die von der Methode der Moralphilosophie an sich nicht überzeugt sind. Psychologen zweifeln die Rolle der Intuitionen an, auf die Philosophen nicht verzichten können. Denn Intuitionen darüber, was gut oder schlecht ist, erwiesen sich in psychologischen Experimenten als widersprüchlich und anfällig für Täuschungen. Zum Beispiel zeige der Framing-Effekt, dass solche Intuitionen stark davon abhängen, wie ein Entscheidungsszenario dargestellt wird.

Kwame Anthony Appiah verteidigt die Intuitionen

Der Philosophieprofessor Kwame Anthony Appiah kann nicht erkennen, warum er die Methode der Intuition aufgeben sollte. Er sagt: „Mit Intuitionen muss man einfach wie mit Wahrnehmungen umgehen, die uns ebenfalls täuschen können. Genauso sollten wir zunächst für gut halten, was uns gut erscheint – auch wenn wir dies unter Umständen revidieren müssen.“

Insgesamt tritt Kwame Anthony Appiah für eine dritten Weg ein, der sich zwischen einer völligen Losgelöstheit der Ethik und einem reinem Naturalismus bewegen soll. Für ihn muss das Verhältnis zwischen der Erforschung der Moral und neuen empirischen Entdeckungen eine offene Frage bleiben. Außerdem ist er davon überzeugt, dass es weder eine Ethik ohne Wissen um die menschlichen Fähigkeiten geben könne, noch eine Naturwissenschaft, die völlig ohne Wertungen auskommt.

Von Hans Klumbies