Kurt Tucholsky wird als Autor für das Kabarett berühmt (5. Teil)

Kurt Tucholsky beschreibt sich selbst als immer Suchender ohne festgeprägtes Weltbild, als nie zufriedener Aufklärer, angetrieben vom ewigen Imperativ Gerechtigkeit und Freiheit. Weder das marxistische System noch die pragmatische Variante der „Formaldemokratie“ was sein Ziel, sondern ein Kulturstaat im Sinne von Johann Gottlieb Fichte und Ferdinand Lassalle. Freiheitliches Ethos, Sozialreform, das Gefühl der Gemeinschaft, internationale Friedenspolitik und kulturelle Entwicklung waren die Grundpfeiler dieser Demokratievorstellung mit einer liberal-aristokratischen Tendenz. Linksintellektuelle wie Kurt Tucholsky waren keine Politiker, sondern sozial abwägende Ethiker. Das Primat der Ethik steht dabei über allen gesellschaftlichen Realitäten. Kurt Tucholsky fragt beispielsweise: „Habt ihr nicht mehr den Mut, das Ideal zu fordern, als sei es erreichbar?“ Theodor Herzl stellt schon 1895 fest: „Die Macht einer Idee besteht darin, dass es vor ihr kein Entkommen gibt.“

Kurt Tucholsky will aktiv an der Neugestaltung der Politik teilnehmen

Immer wieder fordert Kurt Tucholsky die Regierung auf, endlich den Verwaltungsapparat zu reformieren, den militärischen reaktionären Geist zu bekämpfen und offen für Demokratie und Republik zu werben. In jener Zeit zweifelt Kurt Tucholsky auch immer mehr daran, überhaupt auf die Massen positiv einwirken zu können, da er autoritäre Persönlichkeitsstrukturen in verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen und Bereichen erkannt hat. Um am das Volk heranzukommen, sind andere Mittel nötig als nur Appelle und satirische Angriffe und dafür braucht Kurt Tucholsky Bündnispartner.

Kurt Tucholsky ist des ewigen Nein-Sagens müde, will nun auch aktiv an der Neugestaltung der Politik teilnehmen, sich einmischen, seine Vorstellungen umsetzen: „Wozu führen denn letzten Endes die Erkenntnisse des Geistes, wenn man nicht einmal von den Höhen der Weisheit herunterklettert, ihre Ergebnisse auf das tägliche Leben anwendet und das zu formen versucht nach ihrem Ebenbilde? Nichts ist bei uns peinlicher und verhasster als konkret gewordene Geistigkeit.“ Am 1. März 1920 tritt Kurt Tucholsky in die USPD ein.

Kurt Tucholsky wird als brillanter Autor für das Kabarett entdeckt

Natürlich schreibt er weiterhin Artikel und Gedichte, vor allem für die „Weltbühne“, gleichzeitig tritt er verschiedenen Organisationen bei und übernimmt dort arbeitsintensive Aufgaben. Nach der Auflösung der USPD bleibt Kurt Tucholsky zwar Mitglied der SPD, beteiligte sich aber nicht mehr aktiv in dieser Partei. Seine teils erotischen, teils bissigen Gedichte und Chansons, die er unter dem Pseudonym Theobald Tiger geschrieben hat, machen Kurt Tucholsky im Nachkriegs-Berlin schnell bekannt und bringen ihm das nötige Geld für seinen anspruchsvollen Lebensstil.

Nahezu über Nacht entpuppt sich Kurt Tucholsky auch als handwerklich brillanter Autor für das Kabarett. Er liefert für verschiedene Kabarettisten launige Conferencen, pointierte Sketche und Monologe, kess-erotische Couplets oder klassenkämpferische Chansons. Einige der Chansons macht Kurt Tucholsky sich auf dem Klavier zurecht und liefert oft neben Entwürfen der Melodie gleich noch genaue Gesangsanweisungen mit: „Refrain durchaus Gassenhauer – aber nett, nicht zu bumsig.“ Quelle: Kurt Tucholsky von Michael Hepp

Von Hans Klumbies