Zum Ausbruch einer Krankheit sind immer zwei Ursachen nötig

Der Beruf des Heilers zählt zu den ältesten der Menschheit. Der Ethnomediziner Wulf Schiefenhövel ist davon überzeugt, dass die Menschen immer Heiler und Hebammen brauchten: „Die wichtigste Aufgabe der Heiler ist es, die Angst vor Krankheit und Geburt zu mildern. Ihre primär psychosomatische Therapie führt dazu, dass die Patienten sich besser fühlen. Denn wenn ich ängstlich oder depressiv bin, steht es auch schlecht um mein Immunsystem.“ Kurt Langbein weist darauf hin, dass die Heilkundigen aller Kulturen ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die nächste Generation weitergegeben haben. Kurt Langbein studierte in Wien Soziologie und ist seit 1992 geschäftsführender Gesellschafter der Produktionsfirma Langbein & Partner Media. Er ist unter anderem Autor des Bestsellers „Bittere Pillen“. Sein aktuelles Buch heißt „Weissbuch Heilung“ und ist im Ecowin Verlag erschienen.

Die indigenen Völker kennen die Heilkraft der Pflanzen

Alle indigenen Völker, die ihr Überleben bis in die Gegenwart sichern konnten, besitzen ein umfangreiches Wissen über die Heilkraft der Pflanzen. Ethnomediziner haben inzwischen detailliert herausgefunden, dass es in allen menschlichen Kulturen ein gemeinsames Verständnis von Krankheit und Gesundheit gibt. Der Wiener Ethnomediziner Armin Prinz erläutert: „Es scheint, als ob der Mensch nur ein, in seinen wesentlichen Zügen einheitliches Instrumentarium besitzt, um seinen heilkundlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.“

Kurt Langbein zählt diese universalen, einheitlichen Elemente auf. Zum ersten gibt es das Phänomen der Bikausalität von Krankheit, das heißt die Annahme, dass zum Ausbruch einer Krankheit immer zwei gleichzeitig vorhandene Ursachen nötig sind. Einerseits eine natürliche wie etwa eine Infektion im weitesten Sinne oder ein Unfall, andererseits eine übernatürliche wie Hexerei oder Magie. Kurt Langbein fügt hinzu: „Letztere sind allgemein als Zeichen einer gestörten Beziehung zur sozialen Umwelt des Patienten zu deuten, ausgelöst zumeist durch ein soziales Fehlverhalten.“

In den Pflanzen und Tieren sind Zeichen der Geister vorhanden

Deshalb muss die Behandlung ebenfalls in zweifacher Hinsicht vollzogen werden. Erstens müssen die natürlichen Ursachen beseitigt und deren Folgen behandelt werden. Zweitens muss das soziale Gefüge wieder so gestaltet werden, dass es die Geister besänftigt und dem Kranken seine Balance zurückgibt. Kurt Langbein ergänzt: „Das zweite Grundprinzip nennen die Ethnomediziner das humorale und solidare Denken in den Heilkunden: Ersteres ist die Vorstellung, dass die Körpersäfte in einem schlechten Mischungsverhältnis zueinander stehen und daher krank machen, Letzteres die Annahme, dass im Körper an einer Stelle Materie erkrankt, die dann auf größere Teile des Organismus ausstrahlend übergreift.“

Das dritte universelle Prinzip ist die Signaturenlehre: Sie handelt von der Vorstellung, dass in den Pflanzen und Tieren Zeichen Gottes oder der Geister vorhanden sind, die dem Menschen zeigen, gegen welche Krankheit sie als Arzneimittel eingesetzt werden können, vor welchen Krankheiten sie schützen oder welche Krankheiten durch sie ausgelöst werden können. Kurt Langbein erklärt: „Es bedarf nur des gläubigen Sehens, damit der Heilkundige diese Zeichen erkennen kann. Reste der Signaturenlehre gibt es auch heute noch zum Beispiel in der modernen Farbpsychologie, nach der Pillen und Kapseln von Arzneimitteln eingefärbt werden – und diese Farben wirken tatsächlich, wie durch Studien belegt worden ist. Blau verspricht beispielsweise Nervenberuhigung und Schlaf.

Von Hans Klumbies