Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Die Bioingenieure glauben an eine biologische Zukunft

Geht es um die Verbesserung des Menschengeschlechts, sind der menschlichen Phantasie schon seit langem wenig Grenzen gesetzt. In den technischen Utopien der heutigen Zeit geht es deshalb mitunter auch gleich um die großen Perspektiven einer Weiterentwicklung der Menschheit bis hin zur Utopie intergalaktischer Zivilisationen. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die Möglichkeiten einer Evolution durch genetische Selbststeuerung oder die Ablösung der Gattung Mensch durch denkende und selbstbewusste Maschinen werden lust- und angstvoll durchgespielt.

Den meisten dieser Konzeptionen liegt folgende diagnostische Überzeugung zugrunde: „Der Mensch, wie er ist, soll oder wird verschwinden.“ Wie dies zu bewerkstelligen ist – darüber gehen die Phantasien allerdings auseinander. Konrad Paul Liessmann unterscheidet dabei zwei Denkschulen: Einmal die Bioingenieure, denen es um die Verbesserung des genetischen Ausgangsmaterials des Menschen geht, die also noch an eine biologische Zukunft glauben. Sie wird im Wesentlichen durch genetische Selbststeuerung und Verbesserung gekennzeichnet sein.

Hybridität könnte im Zentrum einer neuen Anthropologie stehen

Die Transhumanisten bilden die zweite Denkschule, die vor allem mithilfe der Künstlichen Intelligenz die Menschen überhaupt durch Maschinen ablösen wollen. Es kursieren seit einiger Zeit Phantasien, die von Maschinenwesen träumen, die das Bewusstsein der Menschen speichern, weiterentwickeln und unsterblich machen könnten. Zudem hört die Medizin auf, in erster Linie Krankheiten zu therapieren und Defizite oder Mängel auszugleichen, sondern wird zu einer Technik, der es wesentlich um die Optimierung des gesunden Menschen geht, um die Steigerung seiner Fähigkeiten.

Gäbe es nicht die unausgesprochene Übereinkunft, im Menschen ein prinzipiell defizitäres Wesen zu sehen, würden transhumane Perspektiven kaum jene Euphorie auslösen, die allenthalben zu beobachten sind. Im Bild, das der Mensch von sich entwirft, kommt er selber immer weniger vor. Es sieht sich zunehmend als Hybridwesen, entweder durch transhumane Gene verbessert oder an hoch komplexe Prozessoren und kybernetische Maschinen angeschlossen. Hybridität könnte zur Leitmetapher einer neuen Anthropologie werden. Quelle: „Neue Menschen!“ von Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)

Von Hans Klumbies