Kenneth Rogoff erwartet in Europa einige Staatspleiten

Für den amerikanische Ökonomen Kenneth Rogoff war die aktuelle Finanzkrise nicht die schlimmste Verschuldungskrise aller Zeiten. Seiner Meinung nach war die Große Depression in den dreißiger Jahren viel schlimmer. Kenneth Rogoff erklärt: „Die Finanzkrise war zwar global, doch das Erstaunliche an ihr war ihre Normalität: Zusammenbruch des Immobilienmarkts, Einbruch der Aktienkurse, steigende Arbeitslosigkeit, starke Zunahme der Verschuldung. Typisch war auch, dass vorher jeder sagte, dieses Mal gebe es keine Probleme.“ Kenneth Rogoff hatte schon im Jahr 2007 festgestellt, dass alle Indikatoren auf eine große Krise hinweisen, und davor auch gewarnt. Kenneth Rogoff ist Ökonomieprofessor in Harvard und hat zusammen mit seiner Kollegin Carmen Reinhart den 2009 veröffentlichten Bestseller „This Time is Different“, der erstmals systematisch die Schuldenkrisen der letzten 800 Jahre untersuchte.

Alle haben zum Schuldenboom beigetragen

Für Kenneth Rogoff ist die Verschuldung nicht nur das größte Problem der amerikanischen Wirtschaft, sondern auch der gesamten Weltwirtschaft. Er sagt: „Die Staatsschulden haben in den meisten Industrieländern Rekordhöhen erreicht.“ Zudem gibt es die zunehmende Verschuldung der Privathaushalte. Verfügbare Daten deuten auch hier auf Höchststände hin. Kenneth Rogoff ergänzt: „Und dann gibt es noch die gigantischen Verpflichtungen der Rentenkassen, die in dieser Form neu sind und viel zu wenig beachtet werden.“

Kenneth Rogoff beklagt schon seit zwanzig Jahren, dass die Industriegesellschaften viel zu hohe Schulden angehäuft haben. Er erklärt: „Alle haben den Schuldenboom befeuert: die Notenbanken mit ihren tiefen Zinsen, die Steuerpolitik mit ihren Abzugsmöglichkeiten, die Regulatoren mit einem zu laxen Regelwerk.“ Seine Analysen haben ergeben, dass in Industriestaaten ab einer Verschuldung von 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das Wachstum leidet. In Schwellenländern liegt diese Grenze bei rund 60 Prozent. Viel höhere Schuldenstände würden die Volkswirtschaften geradezu lähmen und wären deshalb sehr selten.

Nur Verrückte erklären die Finanzkrise für beendet

Für Kenneth Rogoff bestehen keine Zweifel, dass es in den nächsten Jahren viele Staatsbankrotte in Europa geben wird. Er sagt: „Es gibt alle diese Länder, die unter dem Strich noch immer Geld beziehen. Selbst Griechenland bezieht noch immer Geld. Es hat auch in diesem Jahr ein Defizit, es gibt also mehr aus, als es einnimmt.“ Solange ein Staat mehr bezieht, als er einnimmt, kann er nicht pleitegehen. Laut Kenneth Rogoff beziehen Rumänien, Ungarn, die Ukraine und die baltischen Staaten alle Geld. Er erklärt: „Mehrere von ihnen werden umschulden müssen, weil das Wachstum nicht stark genug ist. Wer die Finanzkrise für beendet erklärt, ist verrückt.“

Portugal, Irland und Griechenland werden gemäß Kenneth Rogoff auf jeden Fall umschulden müssen. Dabei wird es aber nicht bleiben. Er erklärt: „Ein halbes bis ein Dutzend Länder wird betroffen sein. Die Wahrheit wird erst ans Licht kommen, wenn sie wirklich ihre Schulden zurückzahlen müssen.“ Der Euro wird seiner Meinung nach dennoch erhalten bleiben, aber Portugal, Irland und vor allem Griechenland werden eine Auszeit vom Euro nehmen müssen. Kenneth Rogoff kritisiert: „Der Plan der Europäer ist vollkommen unrealistisch. Der intelligente Plan wäre, diesen Ländern Ferien vom Euro zu geben.“

Von Hans Klumbies

 

 

 

 

 

 

 

1 Gedanke zu „Kenneth Rogoff erwartet in Europa einige Staatspleiten“

  1. Vielleicht kann dieser Mann auch erklären, wie der Schuldenschnitt für all die Länder mit „Euro-Pause“ finanziert werden soll, bzw. wer die Kosten dafür übernehmen soll?

    Die betroffenen Länder könnten mit ihren nationalen Weichwährungen niemals Schulden zurückzahlöen die sie in Euro gemacht haben, insbesondere weil der Euro nach dem Austritt der Pics und einer kurzen, turbulenten Übergangszeit, stark aufwerten würde. Das würde aber für die Pics bedeuten, dass sie bis zu 40% mehr Schulden zurückzahlen müßten, als sie heute schon haben, während sie nicht in der Lage wären auch nur die Zinsen zu bedienen.

    Man sollte es genau anders herum machen. Die starken Länder müssen den Euro verlassen und zu nationalen Währungen zurückkehren, diese würden aufwerten, während der Euro stark fallen würde. Für die starken Länder wäre es dann leichter mit ihren starken nationalen Währungen den schwachen Euroländern in einer kurzen Übergangsphase zu helfen. Ziel muss jedoch die Rückkehr zur nationalen Eigenverantwortung sein!

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