Jürgen Habermas glaubt an eine allgemeine Vernunft

Jürgen Habermas zählt zu den Philosophen der Postmoderne, die versuchen, die Grundkonzepte der modernen Philosophie, die sie als einengend empfinden, neu zu begründen. Jürgen Habermas und seine Mitstreiter vertreten dabei die Idee einer allgemeinen Vernunft und die Vorstellung, dass der Mensch für sich allein verantwortlich ist. Die Geschichte wird als eine Perspektive aufgefasst, die möglicherweise den Gegensatz von individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Zwängen beseitigen kann. Jürgen Habermas ist mit Immanuel Kant einer Meinung, dass die Aufklärung in der Praxis die Voraussetzungen der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung herbeiführen muss.

In einer Gesellschaft ist Emanzipation möglich

Die Aufklärung soll durch die Herstellung einer Öffentlichkeit geschehen, in der sich alle Menschen frei und mit gleichen Rechten ausgestattet über das, was als wahr und richtig gelten soll, verständigen können. Diese Praxis ist allerdings nur dann möglich, wenn in der Gesellschaft Kräfte wirken, die eine weiter gehende Freiheit und Gerechtigkeit erreichen möchten, als sie beispielsweise der Rechtsstaat Deutschlands heute schon bietet.

Um zu verdeutlichen, dass es in der gesellschaftlichen Realität so etwas wie die Möglichkeit der Emanzipation gibt, befasst sich Jürgen Habermas in seinem Buch „Erkenntnis und Interesse“ vor allem mit der analytischen Sprachphilosophie. Denn in den Regeln der Sprache haben sich bestimmte Figuren gesellschaftlichen Handelns, der Interaktion verfestigt und sind so zum Automatismus geworden.

Jürgen Habermas stellt eine Diskurstheorie auf

Sprachhandlungen enthalten stets den Anspruch auf die Wahrheit des von ihnen dargelegten Sachverhalts. Die Aussage macht allerdings nur Sinn, wenn sie mit einem praktischen Interesse verbunden ist. Jürgen Habermas fordert, um den Verlauf einer fairen Diskussion sicherzustellen, dass jeder Diskursteilnehmer die gleiche Chance haben muss, die Wahrheit seiner Meinung zu untermauern, die Richtigkeit seiner Meinung im Hinblick auf soziales Handeln durchzusetzen sowie seine eigene Wahrhaftigkeit zu verdeutlichen.

Die Voraussetzung dafür ist, dass alle Diskursteilnehmer anerkennen, dass die Chancengleichheit, die sie in ihrer Debatte voraussetzen müssen, für alle Menschen gelten soll. Jürgen Habermas ist der Überzeugung, dass seine Diskurstheorie der Wahrheit oder der Vernunft zeigt, dass gesellschaftliche Vernunft oder Rationalität aus sich selbst heraus begründbar ist und keine metaphysische Hilfestellung braucht.

Der Widerstand gegen Macht und Geld ist nur mit Vernunft möglich

In seinem Hauptwerk „Theorie des kommunikativen Handelns“ wendet jürgen Habermas die Diskurstheorie auf die Theorie der Gesellschaft an, weil die Gesellschaft seiner Meinung nach immer auf kommunikativem, das heißt, von Sprache begleitetem und von sprachlichen Strukturen geprägtem Handeln beruht.

Der Widerstand gegen Macht und Geld und die kulturelle Verarmung der Gesellschaft muss sich laut Habermas sowohl der konsensorientierten Maßstäbe kommunikativen Handelns bedienen, als auch der allgemeinen Rationalität des gesellschaftlichen Systems. Er muss sich also der Vernunft bedienen, um die diskursive Verständigung, in einem überschaubaren sozialen Rahmen in der Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, universell zu machen.

Kurzbiographie: Jürgen Habermas

Jürgen Habermas wurde am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geboren. Er studierte in Göttingen, Zürich und Bonn die Fächer Philosophie, Geschichte, Psychologie, Deutsche Literatur und Ökonomie. Er promovierte über „Das absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken.“ 1956 ging er als Assistent an das Frankfurter Institut für Sozialforschung. 1961 habilitierte sich Jürgen Habermas mit dem Werk „Strukturwandel der Öffentlichkeit“. Kurz zuvor war er schon als außerordentlicher Professor für Sozialphilosophie an die Universität Heidelberg berufen geworden.

1964 übernimmt er in Frankfurt am Main den Lehrstuhl für Philosophie und Soziologie. 1980 wechselt Jürgen Habermas als Direktor an das Max-Planck-Institut für Sozialwissenschaften nach München. Zwei Jahre später kehrt er an die Universität in Frankfurt zurück, um dort die Professur für Philosophie und Soziologie anzutreten. 1994 wurde Jürgen Habermas emeritiert. Jürgen Habermas erhielt in seiner akademischen Laufbahn hohe Auszeichnungen und die Ehrendoktorwürde vieler Universitäten im In- und Ausland.

Von Hans Klumbies