Kunst und Leben stimmen nicht immer überein

Julian Schnabel (64) kam Ende der siebziger Jahre als einer der Hauptvertreter des Neoexpressionismus zu Ruhm. Zu seinem Markenzeichen wurden riesige Formate und die zerbrochenen Teller, Lastwagenplanen und Segel, auf die er malte. Ab Mitte der neunziger Jahre machte er als Filmregisseur Furore, mit „Basquiat“ (1996), „Before Night Falls“ (2000) und „Miral“ (2010). Für „Schmetterling und Taucherglocke“ (2007) wurde Julian Schnabel mit dem Golden Globe als bester Regisseur ausgezeichnet. Das Grundinteresse des New Yorker Malers liegt allerdings in der Erfahrung des Malens. Julian Schnabel erklärt: „ Ich mag die Beziehung, die ich mit Objekten und der Leinwand habe, und das Zusammenspiel der verschiedenen Materialien. Es öffnet mir eine Türe, durch die ich verschwinden kann. Ich kann durch meine Malerei auf irgendeine Weise verändert werden, und ich beziehe daraus etwas für mich.“

In der Kunst sollte man keinen kurzfristigen Horizont haben

Wenn die Bilder von Julian Schnabel fertig sind, werden sie in die Welt vermittelt. Er versucht ihnen einen Zusammenhang zu geben, damit die Leute seine Bilder verstehen. Der Künstler räumt allerdings ein: „Je älter ich werde, desto weniger erwarte ich, dass die Leute meine Bilder verstehen.“ Kunst und Leben stimmen nicht immer überein. Deshalb sollte man in der Kunst keinen kurzfristen Horizont haben. Aber Künstler müssen nun mal tun, was sie meinen, tun zu müssen. Junge Künstler, die plötzlich Berühmtheit erlangen und auf dem Markt Erfolg haben, laufen laut Julian Schnabel allerdings Gefahr, abgelenkt zu werden und sich zu verirren.

Auf die Frage, wie schwer es sei, eine Künstlerkarriere auch durch Tiefs am Laufen zu halten, antwortet Julian Schnabel: „Wenn man Künstler ist, muss man notwendigerweise Kunst machen, egal, welche Reaktionen man erhält. Es gab eine Zeit, da sich die Leute nicht mehr für Andy Warhol interessierten, aber er machte einfach weiter. Heute ist jedes seiner Werke unbezahlbar. Vermeer wurde erst 300 Jahre nach seinem Tod entdeckt. Man muss einfach weitermachen.“ Filme sind für Julian Schnabel öffentlicher und einfacher zu verstehen als Gemälde.

Ein Bild ist für Julian Schnabel ein Fragment eines größeren Ganzen

Aber eigentlich mag es Julian Schnabel nicht, immerzu als großer Filmregisseur bezeichnet zu werden. Seine wahre Leistung liegt seiner Meinung nach in der Malerei. Julian Schnabel erläutert: „Meine Bilder funktionieren wie zeitliche Landkarten. Die Sujets, die ich nebeneinandersetze, erscheinen in unterschiedlicher förmlicher Gestalt auf ein und derselbe Ebene. Alles existiert gleichzeitig.“ Sowohl beim Filmen wie beim Malen geht es Julian Schnabel um das Rechteck, um den Rahmen und auch um das, was aus dem Rahmen fällt.

Ein Bild ist für den New Yorker Künstler ein Fragment eines größeren Ganzen. Es ist der Schatten der Welt außerhalb. Das Bild enthält etwas, aber es enthält auch, was nicht im Bild sichtbar ist. Das Unsichtbare ist das, was du als Betrachter mit dir nimmst. Als Maler präsentiert man dem Betrachter einen Stimulus, der ihn beeinflusst. Heute vermarkten viele Künstler via Instagram selbst und verkaufen direkt aus ihrem Atelier. Julian Schnabel tut das nicht, denn er hasst Instagram und alles, was darauf ist, inklusive sich selbst. Er bezeichnet sich als Höhlenmensch, der Berührung mag. Quelle: Bilanz – Das Schweizer Wirtschaftsmagazin

Von Hans Klumbies