Julian Baggini: "Ist Altruismus ein Mittel zur Selbsthilfe?"

Der Motivationstrainer Zig Ziglar prägte den Ausspruch, dass der Mensch alles im Leben erreichen kann, was er will, wer er nur genügend anderen Leuten hilft zu erreichen, was diese haben wollen. Indem der Mensch anderen Menschen hilft, kann er seine eigenen Sorgen, die seine Existenz einengen, vorübergehend vergessen und hat zusätzlich an einem größeren Wohl teil. Wenn also die Hilfe für andere primär dem eigenen Leben einen Sinn verleiht, ist sie dann nicht lediglich ein Mittel zur Selbsthilfe? Das ist die Frage, die der Philosoph Julian Baggini sich stellt. Viele Menschen haben also das Gefühl, dass ihr Leben sinnvoll ist, wenn sie anderen Menschen helfen.

Für Mutter Teresa bestand das Leben vor allem im Dienen

Eines der berühmtesten Beispiele eines altruistischen Menschen ist ohne Zweifel Mutter Teresa, die von einem Traum erzählte, in dem sich das Leben als reine Freude präsentierte. Als sie aufwachte, erkannte sie, dass das Leben vor allem Dienen bedeutet. Und als sie diente, spürte sie die Freude im Dienen. Der Philosoph Julian Baggini führt unter anderen einen Grund an, der dagegen spricht, dass die Hilfe für die Mitmenschen dem eigenen Dasein einen Sinn verleiht.

Der Mensch wäre nämlich dumm, wenn er sich mit den Behauptungen anderer Menschen zufrieden geben würde. Schließlich sagen die Leute von allen möglichen Dingen, dass sie ihnen Befriedigung verschafften. Julian Baggini nennt beispielsweise den Drogenhandel, das Leben als Pornostar, die Existenz als Mönch oder als Aussteiger aus der Gesellschaft.

Immanuel Kant definiert das moralische Handeln

Julian Baggini möchte wissen, wem der Altruismus hilft und warum. Zuerst einmal hilft der Altruismus demjenigen, dem geholfen wird. Viele Menschen glauben jedoch, er sei auch gut für den Helfenden. Vor allem Wohlfahrtsverbände weisen immer wieder darauf hin. Aber bestünde der wahre Altruismus nicht gerade darin, nur an das Wohl des Hilfebedürftigen zu denken und nicht sein eigenes Wohlergehen in den Vordergrund zu stellen.

Der große deutsche Philosoph Immanuel Kant vertritt die These, dass nur der Mensch moralisch handelt, der dies einzig und allein aus einer Verpflichtung dem moralischen Gesetz gegenüber tut. Er hat erkannt, dass er die Pflicht hat, das Richtige zu tun. Wer hingegen das Richtige tut, nur weil es seiner Neigung entspricht oder er sich dadurch ein gutes Gefühl verschafft, handelt nicht wirklich moralisch. Wenn dieser Mensch Gutes tut, ist es eher als eine Glückssache aufzufassen.

Der Altruismus hilft den Bedürftigen

Für Julian Baggini dagegen liegt der Sinn des Altruismus genau darin, anderen Menschen zu helfen. Die Tatsache, ob sich der Helfer an ein moralisches Prinzip hält ist für ihn zu vernachlässigen. Das entscheidende ist, das überhaupt geholfen wird. Dabei gibt es zwei mögliche Gründe, Menschen zu helfen. Erstens, wenn sie an einem Mangel leiden, der ihr Leben existenziell beeinträchtigt. Zweitens, wenn ein Mensch will, dass ein anderer mehr aus seinem Leben macht.

Der Altruismus hilft in erster Linie also dem Bedürftigen, weil er ihn aus seiner Notlage befreit oder seine Lebensumstände verbessert. Der Sinn anderen zu helfen, kann laut Julian Baggini also nicht der Sinn des Lebens sein, sondern lediglich Mittel zum Zweck.

Der Mensch hilft nicht in erster Linie deshalb, weil Hilfe um ihrer selbst willen gut ist, sonder weil es gut ist, die Not der Bedürftigen zu lindern und sie in ein besseres Leben zu begleiten. Altruismus hat also mit der Schaffung von Werten zu tun, der Umsetzung der Forderung, dass jeder Mensch, wenn möglich in der Lage sein sollte, ein erfülltes Leben ohne Not, Krankheit und Hunger zu führen.

Von Hans Klumbies