Unterforderung im Job ist ein größeres Problem als Überforderung

Joachim Sauer erkennt zwar an, dass immer mehr Menschen sich durch ihre Arbeit ausgebrannt fühlen, aber hält Langeweile im Job für ein viel größeres Problem. Denn Mitarbeiter die chronisch unterfordert sind, leiden laut Joachim Sauer unter den Symptomen, die im Zusammenhang mit dem sogenannten „Bore-out“ genannt werden. Wobei hier oft eine Verwechslung vorliegt. Joachim Sauer erklärt: „Im Gegensatz zum Burn-out ist die Unterforderung tabuisiert und sozial unerwünscht. Wer gibt schon gerne zu, dass die Arbeit langweilig ist, dass man tagein tagaus gar nichts Richtiges zu tun hat?“ Joachim Sauer behauptet, dass es Mitarbeiter gibt, die die Last für andere mittragen. In der Regel sind dafür nicht diejenigen Schuld, die sich bei der Arbeit langweilen. Es liegt vor allem daran, dass die Aufgaben ungleich verteilt sind. Joachim Sauer war bis Ende Mai Arbeitsdirektor bei Airbus Deutschland und wechselt demnächst zu einem anderen internationalen Konzern.  

Mitarbeiter müssen ins Team passen

Den Grund, warum Bure-out in einigen Unternehmen stärker vorkommt als in anderen, erklärt Joachim Sauer wie folgt: „Es gibt Firmen, in denen es die Unternehmenskultur zulässt, dass man über das Thema spricht. Mitarbeiter riskieren ja mitunter ihren Arbeitsplatz, wenn sie ihrem Chef sagen, dass sie unterfordert sind.“ Es muss also ein Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern vorhanden sein. Chefs, die das Thema ernst nehmen, gehen produktiv damit um. Bei einem schlechten Management ist das Problem der ungleichen Verteilung von Aufgaben besonders groß.

Für Joachim Sauer gibt es typische Ereignisketten, die bei Berufstätigen zu Unterforderung führen. Für ihn beginnt das schon bei der Einstellung eines Mitarbeiters. Joachim Sauer erläutert: „Wenn eine Stelle nicht klar beschrieben ist und die Aufgaben nicht konkret dargestellt werden, kann das falsche Hoffnungen beim Bewerber wecken. Der ist dann später vielleicht frustriert, weil er von dem Job mehr erwartet hat.“ Unter anderem sollten Vorgesetzte bei der Einstellung auch darauf achten, dass der Mitarbeiter ins Team passt.

Überqualifikation führt zu Arbeitsunzufriedenheit und Demotivation

Joachim Sauer vertritt die These, dass nicht immer der Beste auch der Richtige für einen bestimmten Job ist. Er ergänzt: „Wenn jemand überqualifiziert ist, kommt es sicher zu Arbeitsunzufriedenheit, mangelnder Sinnerfüllung und Demotivation.“ Wenn ein Mitarbeiter nicht den Mut hat, die Unterforderung anzusprechen, wird sich bei ihm früher oder später die totale Frustration ausbreiten. Man solle das auf jeden Fall thematisieren und seinem Chef zum Beispiel sagen, dass man seinen Aufgabenbereich gerne vergrößern würde.

Bore-out bedeutet, dass Mitarbeiter den Sinn ihrer Arbeit nicht mehr erkennen. Laut Joachim Sauer wollen Mitarbeiter heute allein schon deshalb einen sinnerfüllten Beruf, weil sie gut qualifiziert sind. Joachim Sauer fügt hinzu: „Die Anforderungen an die Sinnhaftigkeit sind daher höher als vor fünfzig Jahren. Auf der anderen Seite ist die Komplexität gestiegen. Wenn man eine komplexe Aufgabe bekommt, ohne zu wissen, mit welchen Mitteln und in welcher Zeit, die zu erledigen ist, dann hat man vielleicht ein Problem.“

Von Hans Klumbies