In Europa wächst die Angst vor einer Kapitalflucht

Viele Griechen haben schon ihre Sparkonten geplündert, entweder weil sie Angst vor der Entwertung ihres Geldes haben oder weil sie es ganz einfach zum Überleben brauchen. Der Sturm auf die Banken hat in Griechenland längst begonnen, auch wenn sich keine Kundenschlangen vor den Bankschaltern bilden. Seit Ausbruch der Finanzkrise haben Privatleute und Unternehmer schon rund 65 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben, was rund einem Drittel ihrer Sparguthaben entspricht. Die Griechen deponieren dieses Geld unter anderem bei deutschen, rumänischen und bulgarischen Banken. Die Krise in Griechenland wird immer schlimmer, da eine Rezession die Wirtschaft fest im Griff hat. Zudem kommt die Sanierung der maroden Staatsfinanzen nicht voran.

Die Griechen fürchten sich vor allem vor der Rückkehr der Drachme

Der Präsident der griechischen Zentralbank, Georgios Provopoulos, befürchtet, das die Griechen noch mehr Geld von ihren Konten abziehen könnten. Er sagt: „Es gibt keine Panik, aber es gibt eine große Angst, die sich zu einer Panik entwickeln kann.“ Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nicht viel gegen die Kapitalflucht aus Griechenland unternehmen. Zur Jahreswende hat sie allerdings 73 Milliarden Euro Liquiditätshilfe an die griechischen Banken vergeben.

Zudem überweist die EZB im Rahmen einen Notfallprogramms an die griechische Zentralbank Geld, damit diese die Geschäftsbanken stützen kann. Diese schlecht abgesicherten Kredite könnten laut Schätzungen von JP Morgan weitere 60 Milliarden Euro oder mehr ausmachen. Doch alle diese Maßnahmen konnten den Run auf die Banken in Griechenland nicht stoppen, da sich die Griechen nicht nur vor dem Zusammenbruch ihrer Banken fürchten, sondern auch vor allem vor der Rückkehr der Drachme.

Die Griechen heben Geld ab – und die Europäische Zentralbank zahlt

Käme die alte griechische Währung zurück, würde sie sofort gegenüber dem Euro dramatisch an Wert verlieren. Viele Ökonomen rechnen mit einem Abschlag von bis zu fünfzig Prozent. Also versuchen die Griechen ihre Ersparnisse zu retten, bevor sie nur noch die Hälfte wert sind. Immerhin konnten die Notenbanker bis jetzt den Zusammenbruch der griechischen Banken verhindern. Timo Wollmershäuser, der Finanzwissenschaft an der Universität München lehrt, kritisiert die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank und sagt: „Die Griechen heben Geld ab – und die EZB zahlt.“

Nichts fürchten die Währungshüter so sehr, wie einen Sturm der Anleger auf die Banken. Die Sparer treiben dann nicht nur die Kreditinstitute in den Ruin, sondern zerstören oftmals ganze Volkswirtschaften. Geraten die Griechen nach den Neuwahlen am 17. Juni in Panik, werden die Spanier, die Italiener, die Portugiesen und die Iren verstärkt ihre Konten räumen. Laut Matt King, Analyst bei Citigroup, sind seit Mitte 2011 schon 160 Milliarden Euro aus Italien und 100 Milliarden Euro aus Spanien abgeflossen. Das entspricht ungefähr jeweils zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der beiden Länder.

Von Hans Klumbies