Das Hotel Mama wird bei jungen Erwachsenen immer beliebter

Die Gesellschaft mag sich ständig verändern, doch es staut sich etwas. Die Kinder der Globalisierung verlassen ihr Elternhaus immer später. In der Regel stecken wirtschaftliche Gründe dahinter. Universitäten mit prall gefüllten Stundenplänen lassen immer weniger Zeit für klassische Nebenjobs. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich schneller gestiegen als die typischen Einstiegsgehälter. Und vor allem in den städtischen Ballungsräumen wird eigener Wohnraum für junge Erwachsene immer weniger erschwinglich. Laut einer Umfrage im Auftrag der Sparkassen aus dem Vorjahr können sich knapp 60 Prozent der Studierenden in Österreich keine eigene Wohnung leisten. Im Jahr 2010 waren dagegen nur 28 Prozent auf die elterliche Wohnung angewiesen. Das heißt allerdings nicht, dass junge Erwachsene heute schrecklich leiden würden. Es gibt auch gute Motive dafür, im Kinderzimmer erwachsen zu werden oder es zumindest nicht als völlig abwegig zu empfinden.

Eltern sind einfach nicht mehr mühsam

Entwicklungspsychologen nennen diese neue Phase zwischen Jugend und Erwachsensein „emerging adulthood“, aufkommendes Erwachsenenalter. Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier beschreibt die gesellschaftlichen Hintergründe: „Die Leichtigkeit ist draußen. Die Leichtigkeit, die früher den Übergang von Statusgrenzen bestimmt hat: den Berufseinstieg, das eigenständige Wohnen, die Familiengründung. Das ist alles nicht mehr selbstverständlich. Man kann nicht mehr darauf vertrauen, dass ein Leben nach irgendwelchen alten, bekannten Mustern verlaufen wird. Du musst dir deine eigene Biografie zusammenbasteln.“

Und die jungen Menschen tendieren vielleicht deshalb dazu, lieber noch ein paar Jahre im wohligen, bekannten Umfeld des eigenen Jugendzimmers weiterzubasteln. Die Eltern stehen dem nur in seltenen Fällen im Weg. Der Generationenkonflikt findet heutzutage nicht mehr statt. Laut einer neuen Shell-Studie haben Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren zu über 90 Prozent ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Eine Mehrheit kommt sogar bestens mit Mutter und Vater aus. Die Soziologin Beate Großegger erklärt: „Eltern sind einfach nicht mehr mühsam.“

Zwischen Kindern und Eltern existierten nahezu keine Spannungsfelder mehr

Beate Großegger fährt fort: „Es besteht keine Notwendigkeit, sich von ihnen abzugrenzen. An die Lebensweise und Werte der Eltern verschwenden diese Jugendlichen keinen Gedanken mehr. Da existieren nahezu keinerlei Spannungsfelder.“ Die Unterschiede zwischen den Lebenswelten verschwimmen. Eltern und Kinder nähern sich an, durch liberale Erziehungsmodelle einerseits, durch das Verschwinden klarer Generationsgrenzen andererseits. Auch Eltern pflegen jugendkulturelle Praktiken und müssen ein Leben lang Neues lernen.

Dadurch bleiben sie auf immer unfertig, sind nie wirklich erwachsen. Eltern sind auch nur Kinder. Klaus Hurrelmann, Bildungsforscher in Berlin und langjähriger Co-Autor der Shell-Jugendstudie erläutert dazu: „Für frühere Generationen war es noch wichtiger, sich gegen die autoritären Eltern mit ihren engen Maßstäben zur Wehr zu setzen und, wenn es materiell irgendwie ging, auch eine räumliche Distanz herzustellen. Das hat sich total gewandelt. Es fehlt oft nicht viel, dass junge Leute ihre Eltern als beste Freunde bezeichnen.“ Quelle: Profil – Das unabhängige Nachrichtenmagazin Österreichs

Von Hans Klumbies