Burnout hat das Ausmaß einer Epidemie angenommen

Hilmar Klute wagt in seinem Buch „Wir Ausgebrannten“ die Behauptung, dass Burnout vor allem ein negativer Ego-Trip ist. Burnout ist seiner Meinung nach nichts weiter als eine große öffentliche Seelenwanderung. Es scheint so, als wäre Burnout die Krankheit des digitalen Zeitalters, obwohl es den klinischen Begriff in der Medizin gar nicht gibt. Burnout ist laut Hilmar Klute in Deutschland tatsächlich eine Volkskrankheit geworden, eine für deren Ausbruch man sogar Schuldige finden kann. Der Autor nennt sie beim Namen: „Den Arbeitgeber, der viel zu hohe Anforderungen an seine Mitarbeiter stellt; die Gesellschaft, die verlangt, dass man zu jeder Zeit funktioniert, beruflich wie privat. Und den postmodernen Menschen an sich, der nicht mehr in der Lage ist, auf sich selbst zu achten, der kein Körpergefühl mehr hat und nicht mehr weiß, wie man sich richtig ernährt.“ Hilmar Klute ist Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung und schreibt Essays, Reportagen sowie Kolumnen für das „Streiflicht“. Er lebt in München.

Die meisten Menschen passen sich dem glatten System bis in die Freizeit hinein an

Hilmar Klute beklagt, dass sich nur wenige Menschen für eine wunderbare höhere Heiterkeit entscheiden, mit der man das Leben zwar nicht mit Bravour meistern, aber immerhin doch mit einer gewissen Würde zubringen kann. Er fügt hinzu: „Die meisten fügen sich in das glatte System der astreinen Funktionalität bis in die Freizeit hinein.“ Die schöne Funktionalität des Gesamtkonzepts Wohlergehen ist in vielen Fällen eine Illusion, die aus Fachzeitschriften und Fernsehsendungen kopiert wurde.

Die Arbeit ist laut Hilmar Klute mehr und mehr zum Feind der innerlichen Befindlichkeit der Menschen geworden. Im täglichen Arbeitsstress lauert eine diffuse Gefahr für das Wohlbefinden, von dem meist klare Vorstellungen vorherrschen. Hilmar Klute schreibt: „Wohlbefinden ist etwas, das weit außerhalb unseres beruflichen Alltags stattfindet, es ist eine Utopie, die sich aus den Versprechungen der Werbung und der Vulgärphilosophen zusammensetzt.“

Die wenigsten Ausgebrannten haben den Mut ihr Leben nach der Krise zu verändern

Hilmar Klute stellt fest, dass nur die wenigsten Ausgebrannten den Mut aufbringen, ihr Leben länger als eine therapeutische Einheit lang zu verändern. Wenn einem die Arbeit nichts mehr bringt oder nur noch Befehle zum Beweis der Leistung erteilt, dann sollte man eigentlich diesen Beruf aufgeben und möglicherweise sogar auf gesellschaftliche Anerkennung verzichten. Stattdessen empfiehlt der Autor sich der Verfeinerung der Sinne, der Ausbalancierung der Seele sowie der Beständigkeit des Wohlempfindens zu widmen.

Die Verzichtprediger sind für Hilmar Klute die kleinen miesen Heinzelmännchen des Burnouts. Sie fordern weniger zu wollen und zu konsumieren, weniger zu essen und zu trinken sowie weniger Sex zu haben und auf die Zigarette danach zu verzichten. Dann könnte vielleicht alles wieder ins Lot kommen. Laut Hilmar Klute ist das Gegenteil richtig. Menschen können sich dafür entscheiden, gut zu leben, und diese Entscheidung schließt den Verzicht auf bestimmte Dinge gar nicht aus. Aber: „Man soll den Verzicht nur bitte deshalb nicht üben, weil einer der immer lauter werdenden Erzengel der Schmallippigkeit einem das befehlen möchte.“

Wir Ausgebrannten
Vom neuen Trend erschöpft zu sein
Hilmar Klute
Verlag: Diederichs
Broschierte Ausgabe: 144 Seiten, Auflage: 2012
ISBN: 978-3-424-35081-4,  16,99 Euro
Von Hans Klumbies