Hellmut Flashar gibt eine Einführung in die Ethik des Aristoteles

Die Grundkonzeption der Ethik des Aristoteles ist einfach und natürlich. Es ist laut Hellmut Flashar keine Pflichtethik, keine Ethik, die eine Umkehr von allen gewohnten Anschauungen fordert, sondern eine Ethik ohne Metaphysik für den normalen Bürger, der ohne allzu große materielle Sorgen einfach zu verwirklichende Tugenden praktizieren kann. Hellmut Flashar erklärt: „Aristoteles formulier eine aus der Erfahrung und der communis opinio gewonnene Voraussetzung: Der Mensch ist ein strebendes Wesen. Jedes Können, jede Handlung und Entscheidung ist zielgerichtet, und zwar auf ein Gutes.“ Dabei muss das Gute nicht ein wirkliches, sondern kann auch ein scheinbar Gutes sein. Hellmut Flashar lehrte bis zu seiner Emeritierung als Klassischer Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ und „Sophokles. Dichter im demokratischen Athen“.

Aristoteles bezeichnet die Ethik als eine praktische Philosophie

Aristoteles fragt in seinen ethischen Schriften, ob es ein oberstes Gut gibt, ein Endziel, das nicht partikular durch Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und auch nicht als Mittel für einen noch übergeordneten Zweck erstrebt wird, sondern das oberste Ziel für den Menschen als Individuum ist. Die Ethik ist für Aristoteles eine praktische Philosophie, denn es kommt ihm nicht nur auf das Erkennen, sondern auch auf das Handeln an. In aller Regel bindet er die Philosophie der Praxis in das Gebilde der griechischen Polis ein.

Die aristotelische Ethik vermittelt Grundrisswissen, wobei alles Schematische sich angesichts der Fülle an Beispielen aus Tradition und Leben nicht aufdrängt. Aristoteles benennt das übergeordnete Ziel allen menschlichen Handelns mit dem Wort: Eudaimonia, Glück, wobei dieser Begriff gutes Leben und ebensolches Handeln einschließt. Für Aristoteles stellt sich das spezifisch menschliche Gut als ein Tätigsein der Seele im Sinne der ihr eigenen Tüchtigkeit dar.

Die Ethik des Aristoteles ist eine Ethik ohne Metaphysik

Unter Ethos, als Grundwort für Ethik, versteht Aristoteles eine feste Grundhaltung des Charakters, die sich aus Gewöhnung ergibt. Hellmut Flashar fügt hinzu: „Gewöhnung ist, so argumentiert Aristoteles, eine anthropologische Kategorie, die sich nicht im Bereiche der Natur findet.“ Aristoteles vertritt die These, dass ein Mensch durch gerechtes Handeln in einer Folge von Einzelhandlungen gerecht und analog durch besonnenes Handeln besonnen im Sinne einer gefestigten Grundhaltung als Ergebnis einer Gewöhnung wird.

In der näheren Bestimmung der ethischen Tugend geht Aristoteles in mehrfacher Hinsicht über Platon hinaus. Hellmut Flashar erläutert: „Zum einen ist die Tugend von jeglicher ontologischen Begründung frei. Die Ethik des Aristoteles ist eine Ethik ohne Metaphysik.“ Zum anderen ist die Darstellung nicht mehr konzentriert auf die vier Kardinaltugenden, sondern auf eine größere Vielfalt von Tugenden aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen. Aristoteles stellt eine Tabelle von zwölf ethischen Tugenden mit den dazugehörigen Extremen auf.

Von Hans Klumbies