Aristoteles wird in der Akademie von Athen ein Schüler Platons

Bald nach seiner Ankunft in Athen muss sich Aristoteles laut Hellmut Flashar in die Akademie Platons begeben haben. Aristoteles traf sogleich auf eine ganze Reihe von Schüler  aus Platon nächster Umgebung, unter denen Speusipp, der ungefähr von 410 bis 339 vor Christus lebte und Xenokrates, der von etwa 397 bis 315 lebte, hervorragten. Aristoteles war zunächst natürlich einige Jahre Schüler von Platon, ehe er mit Vorträgen und Schriften hervortreten konnte. Helmut Flashar schreibt: „Platon hatte in seinem zu dieser Zeit gerade fertig gestellten Hauptwerk „Politeia“ ein Erziehungsprogramm für angehende Philosophen entworfen, das erst einmal ein intensives Studium der Arithmetik, Geometrie, Stereometrie, Astronomie und Grammatik vorsah.“ Hellmut Flashar lehrte bis zu seiner Emeritierung als Klassischer Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ und „Sophokles. Dichter im demokratischen Athen“.

Aristoteles entwickelte sich in Athen zum schärfsten Kritiker Platons

Platon wollte mit seinem Akademieprogramm ein Verharren an den bloßen Erscheinungen vermeiden und den Blick sofort auf allgemeingültige Begriffe und Sätze lenken. Aristoteles war ein sehr eifriger Schüler und hat unermüdlich in der Bibliothek der Akademie gelesen, wodurch er schon bald den Spitznamen „Der Leser“ erhielt. Nach einigen Jahren des sorgfältigen Studiums durfte Aristoteles an Diskussionen anderer Mitglieder der Akademie teilnehmen und auch bald danach eigene Vorlesungen halten.

Hellmut Flashar erläutert: „Man muss sich das Leben an der Akademie vielfältig vorstellen. Es gab Diskussionen im engsten Kreis der Vertrauten, gelegentlich auch im Garten der Akademie, dann aber auch im großen Vortragssaal, zu dem Hörer aus der Stadt kamen. Der Unterricht selbst war kostenlos. Platon setzte sein privates Vermögen ein.“ Platon zeigte sich auch sehr tolerant gegenüber anderen Meinungen. Wobei sich Aristoteles zu seinem schärfsten Kritiker entwickelte.

Aristoteles distanziert sich von Platons Ideenlehre

Denn Aristoteles hatte sich von Anfang an von der Ideenlehre als einer unnötigen Verdopplung der Welt distanziert, wonach es von allen Einzeldingen eine immaterielle Idee gibt. Hellmut Flashar fügt hinzu: „Er konnte sogar in seinen frühen, in der Akademie entstandenen Schriften die Ideenlehre Platons in Bausch und Bogen als Trällerei und Grillengezirpe bezeichnen, ohne deshalb die Akademie verlassen zu müssen.“ Obwohl Aristoteles für Platon sicherlich unbequem war, ertrug er ihn und ließ sich sogar von ihm anregen.

Es war für Platon selbstverständlich, dass er seine Philosophie in der Akademie zur Diskussion stellte. Dies galt auch für seine der reinen Mündlichkeit vorbehaltenen, in den Dialogen nicht explizierten Prinzipienlehre. Aristoteles nannte sie die „ungeschriebene Lehre“, die in der Platonforschung der Gegenwart laut Hellmut Flashar eine außerordentliche, wenn nicht sogar kontroverse Rolle spielt. Es handelt sich dabei um eine Letztbegründung allen Seins in der Reduktion auf zwei letzte Prinzipien.

Von Hans Klumbies