Die Europäische Zentralbank rettete die peripheren Krisenländer

Die Europäische Union, die ohne wirksame private und öffentliche Schuldenbremsen agierte, kam ins Wanken, als die amerikanische Finanzkrise die europäischen Banken erreichte. Durch die  Abschreibungsverluste auf toxisch gewordene amerikanische Wertpapiere verloren die Finanzinstitute in Europa ihr Eigenkapital. Zudem mussten sie die Illusion aufgeben, dass AAA-Ratings Sicherheit bedeuten. Die zunehmende Zahl der Banken, die in Schieflage gerieten, trug erheblich zur Verunsicherung in Europa bei. Hans-Werner Sinn schreibt: „Die vielen Bankenpleiten waren besonders spektakulär. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im August 2007 den ersten kleinen Kollaps des Interbankenmarktes durch die großzügige Bereitstellung von Liquidität geheilt hatte, kam es ab September 2007 zu einem ersten Bank Run bei der britischen Bank Northern Rock.“ Hans-Werner Sinn ist seit 1984 Ordinarius in der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1999 wurde er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München und Leiter des CESifo-Forscher-Netzwerks, weltweit eines der größten seiner Art.

Die Zeit der niedrigen Zinsen war nach dem Untergang von Lehman Brothers vorbei

Dann kam die amerikanische Investmentbank Bear Stearns in finanzielle Schwierigkeiten, und die Sächsische Landesbank verzockte sich über die Geschäfte ihrer irischen Zweckgesellschaft Sachsen Europe LB. Im Juli 2008 meldete der große amerikanische Immobilienfinanzierer IndyMac Insolvenz an, und in Deutschland kam noch im ersten Halbjahr 2008 eine staatliche Bank nach der anderen ins Trudeln. Hans-Werner Sinn nennt die Namen der Betroffenen: Westdeutsche Landesbank, Bayerische Landesbank sowie Hessische Landesbank.

Als im September 2008 die Investmentbank Lehman Brothers unterging, brach laut Hans-Werner Sinn der Interbankenmarkt weltweit vollends zusammen, und Hunderte von Banken mussten in der Folge Konkurs anmelden. Die Finanzmärkte erholten sich allerdings in den Folgemonaten, vor allem wegen umfangreicher Programme zur Rettung der Banken. Und schon im zweiten Halbjahr 2009 setzte weltweit ein neuer Aufschwung der Konjunktur ein. Aber die Zeit der niedrigen Zinsen für die Banken und die Staaten der peripheren Euroländer waren endgültig vorbei. Auch die daraus entstandene wirtschaftliche Überhitzung war zu Ende.

Die peripheren Länder Europas verloren ihre Wettbewerbsfähigkeit

Für Hans-Werner Sinn handelte es sich dabei zunächst um einen sinnvollen Konvergenzprozess, der sich allerdings als Seifenblase erwies, die später platzte. Die peripheren Länder Europas hatten ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren und benötigten Jahr für Jahr gigantische Kreditmittel aus dem Ausland, die sie zu niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt nicht mehr erhielten. Hans-Werner Sinn fügt hinzu: „Vielfach floh das aus dem Ausland bereitgestellte Kapital sogar wieder in die Heimatländer zurück.“

Jetzt sprang die Europäische Zentralbank helfend ein. Sie war laut Hans-Werner Sinn der weiße Ritter, der die Krisenländer zunächst einmal gerettet hat. Die EZB handelte dabei auf zweierlei Art und Weise. Erstens hat sie in großem Stil Staatspapiere der bedrängten Länder gekauft und zweitens hat sie den Geschäftsbanken dieser Länder großzügige Kredite zur Refinanzierung gegeben. Bekannter sind die Staatsanleihenkäufe, aber wichtiger waren die Refinanzierungskredite.

Von Hans Klumbies