Die Lustaggression hat einen aktiv suchenden Charakter

Es gibt aggressive Handlungen, durch die ein Mensch nichts gewinnt, nichts abwendet und niemanden für eine Tat bestraft. Hans-Peter Nolting erklärt: „Es kommt vor, dass Menschen von sich aus Gelegenheit suchen, andere zu verprügeln, andere zu schikanieren oder gar grausam zu quälen. Es muss ihnen in irgendeiner Weise Spaß machen, sonst würden sie es nicht tun.“ Insofern kann man hier von „Lustaggression“ sprechen. Lustaggression gibt es in unterschiedlichen Varianten. Die extremste Ausprägung ist der Sadismus. Zu der Variante, die man als Kampflust bezeichnen kann, gehört folgendes Beispiel: Fußball-Hooligans freuen sich auf das Wochenende, an dem sie sich eine Schlacht mit gegnerischen „Fans“ liefern können – wobei in diesem Fall die Freude auf beiden Seiten besteht. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

Vergnügen an der Grausamkeit empfindet nur eine kleine Minderheit

Solche zum eigenen Vergnügen aktiv gesuchte Aggression ist in der empirischen Forschung recht selten ein Thema. Vor allem gilt das für die Lust am Quälen, die man als Sadismus bezeichnet. Aggression aus purer Lust unterscheidet sich von anderen Motiven wie folgt: Ohne vorangehende Provokation und ohne erkennbare Vorteile wird eine Gelegenheit zum Schädigen und Wehtun genutzt, und, wenn nötig, werden dafür sogar noch Mühen in Kauf genommen. Der nicht reaktive, vielmehr aktiv suchende Charakter dieser Aggressionsart wird damit sehr deutlich.

Bei der Aggression aus purer Lust handelt sich nicht um ein verbreitetes Verhalten, sondern es wird nur von einer Minderheit gezeigt. Bei rund fünf Prozent von Gewalttätern spielt das Vergnügen an der Grausamkeit eine Rolle. Serienmörder sind dafür ein eindeutiges Beispiel, sofern sie das Opfer physisch quälen, bevor sie es ermorden. Hans-Peter Nolting ergänzt: „Die Lust am Quälen kann sich aber auch darin zeigen, dass man das Opfer in extrem demütigende Situationen bringt.“ Denkt man an Hooligans oder andere, die sich aus eigenem Antrieb in eine Prügelschlacht begeben, dann liegt es nahe, dass sie den Nervenkitzel, den großen Kick suchen.

Sadistische Quälereien sind eng mit sexueller Erregung verbunden

Die Gewalt ist in einem solchen Fall zwar noch kein Sadismus, aber immerhin ein lustvolles Abenteuer. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Wenn nicht Gruppen, sondern Einzelne die Gelegenheit zu Prügeleien suchen, wollen sie ihre Stärke und Härte zur Geltung bringen und empfinden Stolz, wenn ihnen das gelingt.“ Für noch extremere Ausprägungen, nämlich für sadistische Quälereien, sind ebenfalls verschiedene Färbungen der Lust denkbar. Bei manchen Menschen ist es die enge Verbindung mit sexueller Erregung.

Doch sicherlich genauso bedeutsam ist das Erleben von Macht. Zu spüren, dass man andere vollkommen beherrscht, ist zum Beispiel für manche Serienmörder oder Folterer ein unglaublich intensives Gefühl. Bei der Ausführung der Tat genießen sie es, dass sie allein über Leben und Tod entscheiden und das Opfer wie ein Spielzeug behandeln können. Andere Menschen quälen ihre Opfer zwar nicht selbst, können dies aber aus ihrer Machtposition heraus veranlassen und genießen es, dass alles für sie getan wird, sobald sie nur mit dem Finger schnipsen. Quelle: „Psychologie der Aggression“ von Hans-Peter Nolting

Von Hans Klumbies