Bei der Euro-Rettung sind Rechtsbrüche an der Tagesordnung

Für Gunnar Beck, Rechtsprofessor an der University of London, ist der Rechtsstaat zu einer Schönwetterveranstaltung verkommen. Gunnar Beck lehrt EU-Recht und beschäftigt sich mit der juristischen Auslegung der europäischen Integration. „Die Euro-Rettung ist ungesetzlich“, sagt Gunnar Beck. Als Zeugin der Anklage benennt er Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), die vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise öffentlich erklärt hatte: „Wir mussten Gesetze brechen, um den Euro zu retten.“ Gunnar Beck demonstriert die Rechtsbrüche an mehreren Beispielen. Erstens an den Defizitregeln und Schuldengrenzen aus dem für die Währungsunion maßgeblichen Maastrich-Vertrag. Griechenland, Belgien, Italien und Österreich haben ihn seit Einführung des Euro vor dreizehn Jahren immer verletzt, Deutschland fast immer und Frankreich immerhin in neun von dreizehn Jahren.

Es gibt in der Europäischen Union keine Gewaltenteilung mehr

Gunnar Beck kritisiert: „In der Euro-Zone ist der Gesetzesbruch zu einer schlechten Angewohnheit geworden, eine Art Wilder Westen für Regierungen und EU-Institutionen.“ Schon sieben Jahre vor der Einführung des Euro war in manchen europäischen Ländern die Sorge groß, im Zuge einer Währungsunion für die Schulden anderer Mitgliedsstaaten haften zu müssen. Um die Bedenken, insbesondere der Deutschen, zu zerstreuen, wurde laut Gunnar Beck die sogenannte Nichtbeistandsklausel (No bail out) in den Vertrag eingefügt, die allerdings bis heute Zug um Zug umgangen wurde.

„Nationale Regierungen, Gerichte, die EU-Kommission, der Rat und auch die allmächtige EZB sind alle willige Kollaborateure geworden in der ungesetzlichen Eurorettung. Es gibt keine Trennung der Gewalten mehr in der EU“, erklärt Gunnar Beck. Damit schwärzt der Rechtsprofessor aus London praktisch alle Institutionen an, die den Ruf der Europäischen Union ausmachen. Am Präsidenten der EZB, Mario Draghi lässt Gunnar Beck auch kein gutes Haar, da dieser den ältesten aller Tricks nutze, indem er Staatsschulden mit der Druckerpresse finanziert. Dennoch nennt Mario Draghi diese fiskalpolitische Einmischung hartnäckig Geldpolitik.

Dem Bundesverfassungsgericht fehlt es an Sachverstand

Auch auf das Bundesverfassungsgericht ist Gunnar Beck nicht gut zu sprechen. Er wirft ihm mangelnde Urteilsfähigkeit vor. Er erklärt: „Dem Gericht fehlt der Sachverstand und ganz und gar der Mut.“ Die Richter hätten seiner Meinung nach die Möglichkeit gehabt, der in den Verträgen explizit ausgeschlossenen Vergemeinschaftung von Schulden und der damit einhergehenden Gefährdung der nationalen Budgethoheit der Parlamente eine Grenze zu ziehen. Stattdessen hätten die Richter immer wieder den Eindruck erweckt, eine rote Linie zu setzen, die nicht überschritten werden dürfe.

Gunnar Beck beschwert sich: „Wenn die Regierung bei nächster Gelegenheit die rote Linie überschritt, zog das Gericht die Verteidigungsgrenze einfach neu.“ Weil die Parlamente inzwischen weiteren Rettungsmaßnahmen kritisch gegenüberstehen, ist die EZB zur obersten Haftungsinstitution aufgebaut worden. Doch die jüngste Politik der EZB gefährdet laut Gunnar Beck die Budgethoheit, weil die möglichen Verluste der Zentralbank in letzter Instanz von den Euro-Mitgliedern getragen werden müssten. Gunnar Beck erklärt: „Dies würde Regierungen dazu zwingen, Ausgaben zu senken, Steuern zu erhöhen oder Verluste wegzuinflationieren.“

Von Hans Klumbies