Großkonzerne bedrohen die Demokratie und die Märkte

Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers dachten viele Ökonomen, dass der Neoliberalismus tot sein. Für den Soziologen Colin Crouch wird der Neoliberalismus allerdings nur getestet, aber noch lange nicht am Ende. Anders als der Keynesianismus, der in den späten 1970-Jahren tatsächlich sein Leben aushauchte. Heute geschieht nichts Vergleichbares. Colin Crouch nennt den Grund: „Die Ära des Finanzkapitalismus wird nicht infrage gestellt, weil alle so sehr davon abhängen. Nie war der Einfluss der Lobbyisten, der Druck der großen Banken größer. Die Regierungen lassen sich einschüchtern, weil die Wirtschaft ohne Geld nicht funktioniert – jeder braucht Geld.“ Dabei geht es seiner Meinung nach nicht nur um Lobbying. Colin Crouch ist Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Max-Plack-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln und emeritierter Professor der Warwick Business School.

Die US-Regierungen werden von der Investmentbank Goldman Sachs beherrscht

Lobby bedeutet für Colin Crouch, dass die Person, die den Job macht, außerhalb der Politik steht. Aber die Banker stehen nicht in der Lobby, sie sitzen am Konferenztisch und entscheiden mit. In Amerika ist dies besonders schlimm. Colin Crouch behauptet: „ Die politische Spitze dort wurde infiltriert von den Führungskräften der Finanzindustrie. Goldman Sachs hat seine Leute überall sitzen.“ Laut Colin Crouch werden die US-Regierungen von dieser Wall-Street-Bank beherrscht. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es seiner Meinung nach keine klare Trennung mehr zwischen der politischen Elite und der Finanzelite.

Die Verflechtung von Untenehmen mit dem Staat bricht laut Colin Crouch mit den Gesetzen der Marktwirtschaft. Großkonzerne verschärfen das Problem zusätzlich. Colin Crouch erklärt: „Wenn eine marktbeherrschende Stellung mit politischem Einfluss einhergeht, wird es brisant. Das gilt nicht nur für die Bankenbrache, sondern auch für andere Wirtschaftszweige, die Energiewirtschaft etwa.“ Colin Crouch geht allerdings nicht so weit zu fordern, dass der Markt frei von staatlichen Eingriffen sein soll. Sondern er wünscht sich nur, dass die Wirtschaft nicht in die Politik eingreift.

Die großen Banken müssen zerschlagen werden

Viele Konzerne sind laut Colin Crouch einfach zu groß. Er definiert das Modell der Markwirtschaft als ein System, in dem es jede Menge Wettbewerb gibt, in dem zahlreiche Unternehmen miteinander konkurrieren. Colin Crouch ergänzt: „Das ist im Interesse der Verbraucher. Es verschafft ihnen ein großes Angebot, aus dem sie wählen können, und es hilft, die Preise zu drücken. Zugleich soll es sicherstellen, dass kein Akteur die Preise beeinflussen oder gar diktieren kann und damit das System stört.“

Für Colin Crouch ist es der einzig richtige Weg die großen Banken zu zerschlagen. Die Banken müssen wieder in zwei Kategorien geteilt werden. Erstens in Institute, die Kundeneinlagen verwalten und Kredite vergeben und zweitens in Investmentbanken, die jedem riskanten Geschäft nachgehen, solange es üppige Gewinne verspricht. Colin Crouch fordert: „Die erste Kategorie muss notfalls gerettet werden, weil sie der Volkswirtschaft nützt; die zweite Kategorie muss scheitern dürfen. Die Gefahr liegt darin, dass die Regierungen die Banken davonkommen lassen.“

Von Hans Klumbies