Der homo oeconomicus ist ein Zerrbild

Der homo oeconomicus gilt als Grundlage wissenschaftlicher Modelle und beschreibt einen Menschen, dessen Interesse sich lediglich auf die Maximierung seines persönlichen Nutzens in Form eines immer höheren Einkommens reduziert. Für Gerhard Schick ist das ein Zerrbild des Menschen, denn eine Politik, die sich daran orientiert, kann dem Menschen nicht gerecht werden. Der Mensch ist nämlich kein rationaler, egoistischer Maximierer seines Nutzens – und die Gesellschaft ist mehr als ein Markt. Gerhard Schick erklärt: „Der Markt ist ein Teil der Gesellschaft und sollte sie nie in ihrer Gesamtheit prägen. Vielmehr sollten Gesellschaften darüber entscheiden, welche Aspekte des menschlichen Zusammenlebens wettbewerblich-marktwirtschaftlich und welche Aspekte anders organisiert werden.“ Welche Güter wie bereitgestellt werden, ist das Ergebnis von gesellschaftlichen Werteentscheidungen. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

Vieles kann man für Geld nicht kaufen

Sobald der Markt die gesamte Gesellschaft erfasst, kann die Gesellschaft nicht mehr diese Abwägung vornehmen, nicht mehr selbst darüber entscheiden, wie bestimmte Fragen geklärt werden sollen. Das meint der Begriff der Marktgesellschaft: Alles wird vom Markt erfasst. Gerhard Schick betont: „Aufgabe guter Politik ist es daher nicht nur, dafür zu sorgen, dass Märkte funktionieren, sondern dass sie auch begrenzt werden auf die Bereiche, in denen wir Märkte zulassen wollen.“ Die Feststellung, dass man vieles, was einem wichtig ist, für Geld nicht kaufen kann, ist für die Wirtschaftspolitik von enormer Bedeutung.

Und dann führt die ausschließliche Orientierung an der Sphäre des Geldes dazu, dass in einer solchen Gesellschaft viel für die Menschen Unwichtiges produziert und dabei für sie Wichtiges zerstört wird. Gerhard Schick nennt ein Beispiel: „Wenn die ständige Verfügbarkeit für die Firma gemeinsame Aktivitäten in Familie und Freundeskreis unmöglich macht, geht eben auch etwas kaputt.“ Außerdem lassen sich nicht-materielle menschliche Bedürfnisse wie Anerkennung, Toleranz und sozialer Friede nicht wirklich kaufen.

In den Ökosystemen werden massiv Werte vernichtet

Vor allem aber passt eine Wirtschaft, in der es nur um Geld geht, nicht zum Menschen. Sie passt nur zu einem Teil von ihm. Eine Gesellschaft braucht eine menschenwürdige Ordnung, die einem Individuum in allen Belangen entspricht. Doch die wirtschaftliche Wirklichkeit sieht nach wie vor so aus, dass durch das Wirtschaftssystem massiv Werte in den Ökosystemen vernichtet werden. Beim Klima, bei der Biodiversität und bei den Stickstoffeinträgen in die Umwelt sind die sicheren Grenzen für eine nachhaltige Entwicklung bereits überschritten.

Wenig präsent sind gemeinhin die Kosten des Verlusts an Biodiversität. So belaufen sich allein die jährlichen Verluste des Ökosystems Wald für die Menschheit auf zwei bis fünf Billionen Euro. Der finanzielle Verlust durch den weltweiten Rückgang der Wälder erreicht demnach bis zu sieben Prozent des jährlichen globalen Bruttoinlandsprodukts. Nahezu unbegreiflich ist für Gerhard Schick auch die Flächenversiegelung. In Deutschland werden täglich etwa 81 Hektar Fläche zugebaut. Das entspricht 116 Fußballfeldern. Quelle: „Machtwirtschaft nein danke!“ von Gerhard Schick

Von Hans Klumbies