Schlaflosigkeit geht mit einem permanenten Alarmzustand einher

Es gibt viele Menschen, die ein Schlafproblem haben, einige von ihnen schlafen fast überhaupt nicht mehr. Georg Milzner kennt einige der Gründe für dieses Phänomen: „Oftmals erkennt man bei Menschen, deren Schlaf gestört ist, eine Problemebene, die immerfort verdrängt wird: dass die Beziehung eigentlich nicht mehr befriedigt, dass man immer anders leben wollte, als man es jetzt tut. In den Zeiten, in denen die bewusste Kontrolle nachlässt, kommen solche verdrängten Inhalte leichter nach oben. Und reißen uns nachts aus dem Schlaf, scheinbar grundlos. Schlafstörungen dieser Art wären ein vertrautes klinisches Gebiet. Manche Menschen schlafen aber erst gar nicht ein. Wo beim gesunden Menschen ein sanftes Hinübergleiten von einer in die andere Sphäre eintritt, entsteht bei Menschen, die nicht einschlafen können, ein Feuerwerk von Gedankenblitzen, aufwühlenden Bildern und sinnlos kreisenden Sorgenfantasien. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Bei Stress sind Regeneration und Erholung besonders wichtig

Was die Betroffenen beschreiben, klingt manchmal wie ein Kreislauf des Schreckens. Zum Abend hin befällt sie, wenn Müdigkeit und wachsende Entspannung eintreten könnten, Unruhe. Sie sehen zur Uhr und wissen: morgen in aller Frühe müssen sie wieder aufstehen. Diejenigen Menschen, die in der Praxis von Georg Milzner von Unruhe und Schlaflosigkeit sprechen, werden immer mehr. Sie leben in einem permanenten Alarmzustand. Georg Milzner behandelt Schlafstörungen häufig. Sie sind ein Phänomen der Gegenwart, vor allem aber: Sie sind ein rein menschliches Problem.

Georg Milzner vertritt folgende These: „Die Annahme vieler Ärzte, Schlaflosigkeit sei vor allem eine Folge von zu viel Stress, ist in ihrer Verkürzung nicht ganz richtig.“ Wäre dies zutreffend, gäbe es die Spezies Mensch vermutlich gar nicht mehr. Wo äußerer Stress wirksam ist, sind Regeneration und Erholung besonders wichtig. Daher sind die Menschen evolutionär darauf angelegt, gerade auch unter bedrohlichen Bedingungen schlaffähig zu sein. Für viele Patienten ist dieser Gedanke erst einmal verstörend, weil der dem Zeitgeist widerspricht.

Der Stresspegel vieler Pendler ähnelt demjenigen eines Piloten im Kriegseinsatz

Das moderne Leben bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die evolutionär entwickelten Mechanismen der Menschen zu übertreiben oder in falsche Bahnen zu lenken. Forscher schätzen, dass zum Beispiel der Stresspegel vieler Pendler dem Stresspegel eines Piloten im Kriegseinsatz ähnelt. Das ist eine absurde Situation. Und doch kann jeder, der Pendler kennt, den Eindruck bestätigen, dass es hier mitunter so wirkt, als ginge es für die Fahrenden um ihr Leben. Dazu kommt, dass viele Menschen sich täglich mit aktuelle Nachrichten aus allen möglichen Quellen versorgen, manchmal bis spät in die Nacht.

Georg Milzner erläutert: „Unsere Epoche wird das „Informationszeitalter“ genannt.“ Immer mehr Informationen werden immer mehr Menschen zugänglich, die an diese Informationen früher nicht gekommen wären. Das Netz ebnet den Unterschied zwischen Zonen mit einem bildungsreichen Angebot und eher bildungsärmeren Zonen zunehmend ein. Sodann steht das Informationszeitalter aber auch für die Wichtigkeit von Informationen. Wohlinformiert zu sein bedeutet, auf der Höhe der Zeit zu sein. Auf der Höhe der Zeit zu sein steht dafür, mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu sein. Quelle: „Wir sind überall, nur nicht bei uns“ von Georg Milzner

Von Hans Klumbies