Seneca: "Der Mensch soll über sich selbst bestimmen"

Laut Seneca sollte es das oberste Ziel eines Menschen sein, durch innere Gelassenheit glücklich zu sein. Um diesen Zustand zu erreichen, muss man die eigene Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen bewahren und gegenüber Versuchungen wie Besitz und Macht immun sein. Starken Einfluss auf Seneca übte die Lehre der griechische Stoiker aus, deren prominentester Vertreter er im Laufe seines Lebens wurde. Die Grundtugenden der Stoiker waren Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Mut. Alle literarischen Schriften Senecas haben eines gemeinsam, ihren lehrhaften Zweck: sie wollen mahnen, warnen und erziehen.

Senecas Schriften sollen dem Menschen den Weg zum Glück weisen

Die Texte Senecas schärfen die Sinne des Lesers für die existenzielle Gefährdung des Menschen und suchen ihm einen Weg zu zeigen, der gleichwohl zum Glück und erfüllten Dasein zu leiten vermag. Von Seneca haben zehn Tragödien die Zeiten überdauert, die einzigen, die in lateinischer Sprache erhalten geblieben sind. Diese Stücke waren wie es der damaligen Zeit entsprach für die Rezitation bestimmt und für eine Aufführung auf der Bühne geschrieben.

Bei Senecas Tragödien steht nicht die Entwicklung der Charaktere noch die konsequente Verknüpfung des äußeren Geschehens im Vordergrund. Sie zeigen eher eine starke Neigung, sich in einzelne Bilder aufzulösen, die nur dürftig miteinander verbunden sind. Wie ein roter Faden durchziehen die Stücke grausige Schilderungen mit schockierenden Details.

Es kommen Schmerzens- und Affektszenen vor, die sich durch extreme Brutalität und Grausamkeit auszeichnen. Ein weiteres Grundmotiv in den Tragödien sind die Beschreibungen der Unterwelt, die auf der einen Seite das Todesgrauen ausdrücken, auf der anderen Seite aber auch den Austritt aus dem Leben als den Eintritt in die absolute Freiheit glorifizieren.

Die Philosophie soll dem Menschen die Furcht vor dem Sterben nehmen

Neben den Tragödien sind zehn philosophische Abhandlungen die „Dialoge“ als Sammlung überliefert, die auch die drei Bücher „Über den Zorn“ enthalten. Der Kern der philosophischen Schriften Senecas besteht im Streben nach Autarkie, das Ziel ist der über sich selbst bestimmende Mensch. Es geht darum, die Einheit des Menschen gegen alle inneren und äußeren Stürme zu behaupten.

Seneca forderte nicht, dass man die Güter der Welt zurückweise und sich ihnen entsage und bestand nicht auf der Abkehr vom äußeren Glück. Dennoch solle man Distanz gegenüber den Besitztümern walten lassen und Verluste mit Gelassenheit hinnehmen. Seneca betrachtete die Philosophie als Vorschule des Sterbens. Er sah ihre eigentliche Aufgabe darin, dem Menschen die Furcht vor dem Tod zu nehmen.

Daher glaubte er, dass erst die Todesstunde die wahre Probe aller seiner philosophischen Bemühungen sei, dass erst sie das wahre Urteil über sein Leben abgeben werde. Seiner Grundüberzeugung blieb der Philosoph sein Leben lang treu: dass der Mensch in letzter Instanz auf sich selbst angewiesen sei und dass es nicht so sehr auf die Dinge, sondern vor allem auf die Einstellung zu den Dingen ankomme.

Kurzbiographie: Seneca

Seneca wurde etwa im Jahre 4 vor Christus im spanischen Córdoba geboren. Noch im ersten Lebensjahr kam er mit seinen Eltern nach Rom. Seine Ausbildung erhielt er von seinem Vater, der Rhetoriklehrer war. Von 32 bis 40 nach Christus arbeitete er als Anwalt in Rom und stieg zum Quästor und Senator auf. Die Jahre 41 bis 49 verbrachte er in der Verbannung auf Korsika, da er an einer Intrige beteiligt war.

Im Jahre 49 wird er zum Erzieher Neros berufen und zum Prätor ernannt. Von 54 bis 59 leitete er als engster Berater Kaiser Neros zusammen mit Burrus die Reichspolitik. Als ihn Nero fallen ließ, zog er sich auf seine Güter zurück und beging 65 wegen einer angeblichen Verschwörung auf Befehl Neros Selbstmord.

Von Hans Klumbies