Für Cicero liegt das Ziel des Menschen im Jenseits

Die Menschennatur ist laut Cicero Geist, der auf die Gemeinschaft ausgerichtet ist. Geht diese Geistnatur einer Gesellschaft verloren, so löst sich auch die Menschennatur des Menschen auf. Die richtige Vernunft ist für Cicero das wahre Gesetz. Sie stimmt mit der Natur überein, ist auf alle Menschen verteilt, hat festen Bestand und gilt für die Ewigkeit. Es gibt nur einen einigen Lehrer und Herrscher aller Menschen, nämlich Gott. Er hat dieses ewige Gesetz erfunden und wer seinen Befehlen nicht gehorcht, verleugnet sich selbst, da er auf diese Weise die Natur des Menschen verachtet. Cicero vertritt die These, dass das eigentliche Ziel des Menschen im Jenseits liegt.

Ciceros Grundlagen der Bildung

Doch die Menschen können erst dann ins Jenseits gelangen, wenn sie ihre Aufgaben, die ihnen auf Erden von Gott zugewiesen wurden, erfüllt haben. Im Jenseits werden die Menschen ihre wahre Heimat finden, wenn der vergängliche irdische Ruhm von ihnen abgefallen ist. Ein Mensch kann laut Cicero nur dann auf Erden segensreich für die Gemeinschaft wirken, wenn er seine Verankerung und sein Fundament im Jenseits hat. Das Diesseits und das Jenseits bilden für alle Menschen eine Einheit.

Cicero legte großen Wert auf eine gute Ausbildung und Erziehung der Jugend, da er selbst eine ausgezeichnete Bildung genossen hatte, für die er seinem Vater sehr dankbar war. Die Grundlage dieser Bildung sollte erstens die Liebe zu den Göttern sein, zweitens die Achtung vor den Eltern und drittens die Liebe zu dem eigenen römischen Vaterland. Er war der Ansicht, dass erst dann, wenn diese Forderungen erfüllt sind, die intellektuellen Begabungen und Potentiale vollkommen ausgeschöpft werden können. In Ciceros Pädagogik haben die charakterlichen und emotionalen Prinzipien den Vorrang vor der reinen Intelligenz und deren Förderung.

Das Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft bilden eine Einheit

Cicero definiert als die vier Hauptbetätigungen eines sittlich wertvollen Menschen folgende: Erstens den Forschungsdrang, zweitens den sozialen Instinkt, drittens den Willen zur Macht und viertens einen Sinn für das rechte Maß und die Schicklichkeit. Bei diesen vier Tugenden tritt die Eigenart des römischen Denkens deutlich hervor. Nur die erste Betätigung der Forschungsdrang ist rein auf einen einzelnen Menschen ausgerichtet, während die anderen drei Tugenden von einem starken Anteil, der dem Allgemeinwohl zugeordnet ist, dominiert werden.

Cicero ist der Ansicht, dass der Princeps, der erste Bürger oder erster unter gleichen, nicht zuletzt deswegen ein guter Staatsmann sein muss, weil er für das Gemeinwohl des Staates verantwortlich ist. Das Wohl des Einzelnen ist für ihn niemals vom Wohl der Gemeinschaft zu trennen. Mit dieser These stellte der Philosoph eine der wichtigsten römischen Lehren für das Wesen aller Politik auf. Ciceros Lehre vom Menschen beeinflusste das gesamte europäische politische Denken bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein.

Von Hans Klumbies