Friederike Mayröcker hat eine riesige Sehnsucht nach Liebe

Die österreichische Schriftstellerin Friederike Mayröcker hat in einem Dokumentarfilm über sie mit dem Titel „Das Schreiben und das Schweigen“ gesagt, dass sie nicht gerne redet. Sie fühlt sich nur am Leben, wenn sie schreibt. Sie erklärt: „Seit ich 15 bin, explodiert es jeden Tag in mir. Mein Kopf ist so voll, und alles muss raus, ich kann nicht anders.“ Am Sprechen stört Friederike Mayröcker, dass sie dabei nicht genug Zeit zum Überlegen und Nachdenken hat. Zu Hause am Schreibtisch würde sie das zuvor Ausgesprochene ganz anders formulieren. Sie fügt hinzu: „Außerdem stimmt das doch alles gar nicht, was man den ganzen Tag so spricht.“ Friederike Mayröcker sitzt jeden Morgen an ihrem Schreibtisch und schreibt, bis sie spürt, dass sie aufhören muss, weil der Blutdruck auf 200 ist.

Friederike Mayröcker stört das Altwerden fürchterlich

In den Texten von Friederike Mayröcker kommen Begriffe vor wie „Körperruine“ oder „Monster im Spiegel“. Das ist deswegen der Fall, weil sie sich selbst so wahr nimmt und ihr diese Tatsache nicht gefällt. Trotzdem behauptet sie, nur äußerlich das alte Weib zu sein, das durch die Straßen humpelt, innerlich sei sie noch immer ein Mädchen von 17 Jahren, das barfuß in Deinzendorf über eine Wiese läuft. Friederike Mayröcker gibt zu, dass sie das Altwerden fürchterlich stört, obwohl es man ihr nicht ansieht. Außerdem sei sie furchtbar eitel.

Laut Friederike Mayröcker ist das Älterwerden vor allem für Frauen furchtbar schwer. Männer haben es dabei ihrer Meinung nach nicht so schwer. Sie nennt ein Beispiel: „Denken sie mal an Samuel Beckett. Würden Sie den auch fragen, wie alt der ist und ob er ein Problem damit hat? Eher nicht.“ Alte Männer, vor allem Künstler haben für Friederike Mayröcker mehr Würde als die Frauen. Samuel Beckett ist gut gealtert. Eine weibliche Künstlerin, die gut gealtert ist, fällt der Schriftstellerin nicht ein.

In der Prosa von Friederike Mayröcker geht es vor allem um die Schönheit der Sprache

Kurz nach dem Tod ihres Lebensgefährten Ernst Jandl war Friederike Mayröcker fest davon überzeugt, nie mehr schreiben zu können, weil sie innerlich so ausgeleert war. Auch heute vermisst sie ihn noch sehr. Die Schriftstellerin hat eine riesige Sehnsucht nach Liebe und verliebt sich auch noch ständig. Sie sagt: „Als Ernst noch gelebt hat, hat er das aufgefangen. Heute kommt die Liebe ganz plötzlich, meistens über die Augen, über den Blick. Ich verliebe mich in Menschen und Tiere, ganz egal ob sie mich wiederlieben. Das macht mir nichts aus. Ich will ja gar nichts von denen.“

Im Alter von 87 Jahren glaubt Friederike Mayröcker mehr vom Leben und den Menschen zu verstehen als früher. Sie sagt, dass sie erst mit Mitte 70 ein wirklicher Mensch geworden ist. Vorher war sie egoistisch, ohne Mitgefühl für ihre Mitmenschen, vor allem für ihre Mutter, die sie heiß geliebt hat. Vom Schreiben ist Friederike Mayröcker auch im hohen Alter noch immer besessen. Über ihre Prosa sagt sie: „Mir geht es immer nur um die Sprache. Um ihre Funktionsweise, vor allem ihre Schönheit. Handlung, Botschaft, interessiert mich alles nicht.“

Kurzbiografie: Friederike Mayröcker

Friederike Mayröcker zählt zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihr Hand- und Lebensgefährte war von 1954 bis zum Jahr 2000 der berühmte österreichische Schriftsteller Ernst Jandl. Die Autorin, die ihr ganzes Leben lang in Wien verbracht hat, ist inzwischen 87 Jahre alt. Ihre beiden letzten Werke, die sie veröffentlichte, heißen: „Von den Umarmungen“ und „Ich sitze nur grausam da“.

Von Hans Klumbies