Franz Eckstein erliegt den Verlockungen der Ferne

Das Versprechen der Freiheit leuchtet 1867 in der Ferne, als Franz Eckstein heimlich aufbrach, um sich der Fremdenlegion anzuschließen. Er berichtet in seiner „Handschrift“ von seinen Kämpfen mit Berbern und Beduinen, von aufregenden Jagten auf wilde Tiere, von quälendem Durst in der Wüste Algeriens und ausufernden Gelagen mit Absinth. Als er 1872 in Marseille wieder europäischen Boden betritt, hat sich der Kontinent verändert. Während Franz Eckstein erzählt, wie es ihm in Afrika erging, entwirft Thomas Rietzschel in seinem Buch „Die Handschrift des Legionärs Franz Eckstein“ ein vielfältiges Gesellschaftsbild der damaligen Zeit. Ein Panorama, das sich vom farbenfrohen Fin de siècle bis zum Versagen des Bürgertums – nicht nur in Dresden – im 20. Jahrhundert erstreckt. Geographisch spannt der Autor einen Bogen von der Brühlschen Terrasse, dem einstigen Balkon Europas am Dresdner Elbufer, über Marseille bis in die Wüsten Nordafrikas und an den Fuß des Atlas-Gebirges.

Nicht jede erfundene Geschichte ist aus der Luft gegriffen

Keine der Personen, um die es im Roman geht, verdankt seine Existenz der Einbildungskraft des Autors. Alle haben sie gelebt, vorgestern oder zu Zeiten Franz Ecksteins. Thomas Rietzschel vertritt das Motto: „Nicht jede erfundene Geschichte ist aus der Luft gegriffen.“ Urkundlich verbürgt beginnt die spannende Geschichte des Franz Ecksteins in stürmischen Zeiten auf hoher See. Nach der Überfahrt betritt Franz Eckstein am 17. Juni 1867 in Algerien im Hafen von Oran afrikanischen Boden. Im Verlauf seines Daseins als Fremdenlegionär, übernimmt er die Einstellung der Franzosen, dass die Europäer stets im Recht gegenüber den „Eingeborenen“ seien.

Die Erschießung Gefangener, die man für schuldig hielt, ihrerseits Gefangene getötet, womöglich gefoltert zu haben, entsprach den Vorstellungen der Zeit. Wieder zurück in Dresden, vermutlich zwei Jahre nach seiner Heimkehr aus Algerien, begann Franz Eckstein mit der Niederschrift seiner Erinnerungen, die er im November 1874 beendete. Während seiner Zeit in der Fremdenlegion fühlte sich Franz Eckstein verbannt und befreit zugleich. Immer wieder fügt Thomas Rietzschel Passagen der eigenen Familiengeschichte in seinen Roman ein.

Die Zeit in der Fremdenlegion war eine Schule fürs Leben

So zum Beispiel die Erlebnisse seines Vaters im Zweiten Weltkrieg: „Als Soldat hatte mein Vater die große Reise seines Lebens unternommen, quer durch Europa vom Don bis nach Sizilien.“ Ein anderes Mal schreibt Thomas Rietzschel, dass ihm das Fremde allmählich vertraut wurde, als er sich an sein Elternhaus auf dem Berg erinnerte. Im Kapitel „So weit die Füße tragen“ schildert der Autor einen quälenden Fußmarsch Franz Ecksteins und seiner Kameraden von Oran über Mascara bis nach Geryville, der zum Schicksalsort des Deutschen werden sollte.

Seinen Abschied aus Algerien und von seinen Kameraden beschreibt Franz Eckstein wie folgt: „Die Tränen standen mir in den Augen, als ich jedem einzelnen die Hand drückte.“ Biographisch konnte Franz Eckstein sein afrikanisches Abenteuer als eine Schule fürs Leben verbuchen. Er hatte erfahren, wozu die Menschen fähig sind, was sie ertragen, anrichten und einander antun können. Gegen Ende seines Buchs „Die Handschrift des Legionärs Franz Eckstein“ deckt Thomas Rietzschel auf, wie die Aufzeichnungen des Fremdenlegionärs in seinen Besitzt gelangt sind.

Die Handschrift des Legionärs Franz Eckstein
Thomas Rietzschel
Verlag: Zsolnay
Gebundene Ausgabe: 200 Seiten, Auflage: 2017
ISBN: 978-3-552-05856-9, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies