Die chinesische Kulturrevolution war ein Jahrhundertverbrechen

Von dem niederländischen Historiker Frank Dikötter stammt das Standardwerk über den „Großen Sprung nach vorn“, bei dem unter der Herrschaft Mao Zedongs zwischen 1958 und 1962 rund 45 Millionen Chinesen den Tod fanden: größtenteils durch Hunger, mindestens zweieinhalb Millionen aber durch Misshandlung, Folter und andere Gewaltmaßnahmen und eine unbekannte Zahl durch Selbstmord. In seinem neue Buch „Mao und seine verlorenen Kinder“ der Großen Proletarischen Kulturrevolution zu, die Mao 1961 initiierte und die bis zu seinem Tod andauerte. Im Vergleich zu den Verheerungen des „Großen Sprungs“ verlief die Kulturrevolution milde, an allen anderen Maßstäben gemessen, war sie ein Jahrhundertverbrechen. In den zehn Jahren der Revolution zwischen 1966 und dem Tod Maos 1976 wurden zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Menschen getötet; ebenso viele trugen dauerhafte körperliche Schäden davon.

Über 100 Millionen Chinesen haben unter der Kulturrevolution gelitten

Zweiundzwanzig bis dreißig Millionen Chinesen wurden politisch verfolgt – entlassen, zur „Umerziehung“ aufs Land geschickt oder ins Gefängnis gesteckt. Da in Maos China die Sippenhaft galt, dürften über 100 Millionen Menschen unter der Kulturrevolution gelitten haben. Als Mao starb, waren die Revolutionäre und die „Massen“ derart erschöpft und desillusioniert, dass die Visionen des Großen Vorsitzenden keine Chance mehr hatten. Was Mao mit dem „Großen Sprung“ und der „Kulturrevolution“ hatte verhindern wollen, hat er selbst bewirkt: China wurde kapitalistisch.

Anders als beim „Großen Sprung“, dem Krieg der Partei gegen die Bauern, waren bei der Kulturrevolution Täter und Opfer in vielen, ja den meisten Fällen, Mitglieder der Partei und den gebildeten Schichten. Mao rief 1966 die revolutionäre Jugend auf, „alle Monster und Dämonen hinwegzufegen“, die „Machthaber, die den kapitalistischen Weg gehen“, aus dem Amt zu jagen, den „Revisionismus“ sowjetischer Prägung zu verurteilen und anstelle des jahrtausendealten, vom Konfuzianismus geprägten Kultur Chinas eine neue „proletarische“ Kultur zu setzen, die das Heldentum der „revolutionären Massen“ zelebrieren sollte.

Mao Zedong löste jedes Problem durch Terror

Damals gab es in der Kommunistischen Partei Korruption auf allen Rängen, wie es sie ja auch heute gibt. Die Macht korrumpiert bekanntlich, die absolute Macht korrumpiert absolut. Mao Zedong hatte sicher recht, dass sich in der Partei eine „neue Bourgeoisie“ herausbildete, der es weniger um die Revolution als um die Sicherung ihrer Pfründe ging. Genau dieses Phänomen hatte auch Mao Lehremeister Josef Stalin umgetrieben. Dessen Antwort war der permanente, willkürliche Terror. Wie Josef Stalin kannte Mao Zedong eigentlich nur eine Lösung für jedes Problem: den Terror.

Mao Zedong entwickelte die Stalinsche Politik weiter und machte den Terror zur Sache der Massen: In Schulen und Universitäten zunächst, dann in Kultureinrichtungen, schließlich in Fabriken und Kommunen machten fanatisierte, junge „Rote Garden“ Jagd auf „bürgerliche“ Professoren und Lehrer, Musiker, Maler und Literaten, Betriebsdirektoren und Ingenieure. Frank Dikötter scheibt: „Es war ein gewagtes Projekt, das darauf zielte, sämtliche Spuren der Vergangenheit zu tilgen. Wie viele Diktatoren verquickte Mao grandiose Vorstellungen über seine eigene historische Bestimmung mit einer außerordentlichen Fähigkeit zur Boshaftigkeit.“ Quelle: Welt Kompakt

Von Hans Klumbies