Finanzkrisen wird es auch in der Zukunft geben

Wirtschaftsprofessor Paul Schmidt hat 250 Finanzkrisen auf der ganzen Welt unter die Lupe genommen und dabei eine Gemeinsamkeit festgestellt: Immer waren es gewaltige Schulden, die das System zum Einsturz brachten. Auf den Zusammenbruch folgten in den meisten Fällen ein Hyperinflation mit einer sich anschließenden Währungsreform. Oft waren die Regierungen schuld an der Misere, da sie exorbitante Schulden angehäuft hatten. Paul Schmidt, der Wirtschaftsprofessor an der Frankfurt School of Finance ist, hat bei seinen Untersuchungen auch folgende Erkenntnis gewonnen: „Alle Krisen zeigen, dass eine Marktwirtschaft inhärent instabil ist und dass die Finanzmärkte und die Finanzinstitutionen die Achillesferse sind. Deshalb werden wir Krisen auch in Zukunft nicht verhindert können.

 Die Regierungen sind in der Finanzkrise überfordert und ratlos

Finanzkrisen sind laut Paul Schmidt der Preis für die große Dynamik und Effizienz, wie sie in einer Markwirtschaft vorherrschen, die eine Gesellschaft bezahlen muss. Bei seiner Studie hat der Wirtschaftsprofessor eine zweite Gemeinsamkeit von Finanzkrisen gefunden: „Die große Klammer zwischen allen Finanzkrisen ist immer eine exzessive Aufnahme von Schulden.“ Schulden sind deshalb seiner Meinung nach definitiv die Ursache für Krisen, wenn auch mit unterschiedlichen Schuldnern.

Als Schuldner treten die Banken, Unternehmen, Privathaushalte und sehr oft auch Regierungen in Erscheinung. Allein im vergangenen Jahrhundert hat es laut Paul Schmidt 130 Staatsschuldenkrisen und Staatspleiten gegeben. Die aktuelle Schuldenkrise schätzt er wie folgt ein: „Die Situation ist momentan völlig offen, aber auch ziemlich verfahren. Ich sehe die Regierungen inzwischen weitgehend überfordert und ratlos. Alle von ihnen vorgelegten Maßnahmen benötigen zudem viel mehr Zeit als eingeplant ist.“

Die Europäische Zentralbank ist längst nicht mehr unabhängig von der Politik

Gemäß Paul Schmidt zeigt die Historie, dass schwere Staatsschuldenkrisen im Durchschnitt acht bis neun Jahre dauern. Das hält seiner Meinung nach keine Regierung und kein Volk ohne Hilfe von außen durch, wie ja auch die vielen Regierungswechsel und Proteste der Massen in einigen Problemländern der Eurozone jetzt belegen. Paul Schmidt erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch mehr in die Führungsrolle zur Krisenbekämpfung hineingedrängt wird. Er hält es für sehr unwahrscheinlich, dass sich die EZB in dieser Hinsicht der Politik verweigern wird.

Paul Schmidt nennt den Grund dafür: „Historische Erfahrungen lehren, dass mit einer Staatspleite fast immer auch die nationalen Bankensysteme bankrott gehen. Also ist die EZB automatisch mit im Boot und kann gar nicht tatenlos zusehen. Zum anderen ist die EZB doch de facto längst nicht mehr unabhängig von der Politik.“ Das zeigen für Paul Schmidt die Beschlüsse seit Mai 2010, als die Zentralbank mit dem Aufkauf von Staatsanleihen begann. Dieses Vorgehen ist seiner Meinung nach nur schwer mit den Statuten der EZB oder gar mit den Europäischen Verträgen vereinbar.

Von Hans Klumbies