Fernando Savater analysiert die Zehn Gebote

Für Fernando Savater sind die Zehn Gebote seit Jahrhunderten ein Teil der Menschheit und haben in stärkerem oder geringerem Maß die Kulturgeschichte begleitet. Der Autor stellt in seinem Buch „Die Zehn Gebote im 21. Jahrhundert“ die Frage inwieweit die Zehn Gebote für die Menschen von heute noch aktuell sind. Er widmet jedem Gebot ein Kapitel, das jeweils mit einer humorvollen Anrede an Gott beginnt. Fernando Savater wurde 1947 in San Sebastián geboren. Nach einer Lehrtätigkeit an der Universität des Baskenlandes unterrichtet er seit 1993 in Madrid. Als führendes Mitglied einer Bürgerinitiative bemüht sich Savater um eine Vermittlung zwischen der ETA und der spanischen Regierung.

Die ersten vier Gebote

Laut Fernando Savater ist das erste Gebot „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ das religiöseste, denn während die übrigen mit Fragen des sozialen und Gruppenverhaltens zu tun haben, geht es hier um eine Forderung der Gottheit an den Einzelnen. Fernando Savater selbst kann nur Sterbliche lieben, dem Unsterblichen gegenüber empfindet er nur Respekt. Das zweite Gebot „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen“ bedeutet für Savater, dass man Gott nicht benutzen soll, um seine Mitmenschen zu hintergehen, sie zu täuschen und zum Spielball der eigenen Launen und Wünsche zu machen.

Gebot Nummer drei „Du sollst den Feiertag heiligen“ ist für den Autor das fröhlichste und am leichtesten zu befolgende, denn niemand wird etwas gegen einen Ruhetag einzuwenden haben. Man soll den Tag dem eigenen Ich, den eigenen Vorlieben und der Entwicklung seiner Persönlichkeit widmen. Das vierte Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ soll nach Fernando Savater zum Nachdenken über die verschiedenen Formen des Respekts gegenüber den alten Menschen anregen und wie es um die Beziehung zwischen Alt und Jung im Allgemeinen in der Gesellschaft bestellt ist.

Die Gebote fünf bis acht

Das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ wiegt schwer wie der eigenen Tod. Es sollte den Menschen dazu bringen, nach seinem Ursprung und nach seinem Ende zu fragen, nach seinen Verpflichtungen sich selbst gegenüber, nach seiner Existenz und nach der Erhaltung seines Lebens. Das sechste Gebot „Du sollst nicht Ehebrechen“ ruft laut Savater wahrscheinlich am ehesten ein schelmisches Lächeln hervor. Es geht in dem Gebot um Ehebruch, Hurerei, um unkeusche Handlungen und die gesamte Welt des Begehrens.

Das siebte Gebot „Du sollst nicht stehlen“ ist mit der Moral der Gesellschaften und seiner Mitglieder verknüpft. Savater ist der Meinung, das oftmals nur ein schmaler Grad zwischen dem verläuft, was man als Raub ansehen kann und was nicht. Ursprünglich bezog sich das Gebot nur darauf keine Seelen, sprich Menschen zu rauben. Gebot Nummer acht „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden“ war für diejenigen, die das Gebot prägten, die zentrale Frage der Zeugenaussage bei Strafprozessen. Sie hatten keine andere Form des Beweises als das von den Parteien gegebene Wort, auf dessen Aufrichtigkeit sie sich verlassen mussten.

Das neunte und das zehnte Gebot

Das neunte Gebot „Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib“ bringt den Autor dazu folgende Fragen zu stellen: Inwieweit kann ein Mensch überhaupt einem anderen gehören? Wie können zwei Personen ein Paar bilden und dennoch ihre Individualität behalten? Bei diesen Fragen kommt die Treue ins Spiel und die Überlegung, ob es sich dabei um eine Tugend oder um eine puritanische Forderung aus der Zeit handelt, in der die Frau noch als Besitz betrachtet wurde.

Das zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren deines nächsten Hab und Gut“ setzt erst einmal voraus, das Eigentum zu analysieren und folgende Fragen zu stellen: Was ist Privateigentum? Was ist öffentliches Eigentum? Inwieweit kann jemand etwas privat besitzen? Inwieweit haben alle menschlichen Güter eine soziale und kollektive Dimension? Fernando Savater hat ein Buch geschrieben, das nicht nur Gläubige lesen sollten, sondern auch Menschen, die keine Beziehung mehr zu Gott haben, wie der Autor selbst. Fernando Savater stellt Fragen und gibt Antworten, die zum Nachdenken anregen.

Die Zehn Gebote im 21. Jahrhundert
Fernando Savater
Verlag: Wagenbach
Broschierte Ausgabe: 189 Seiten, Auflage: 2007
ISBN: 9783803125767, 11,90 Euro

Von Hans Klumbies