Fehlender Wohlstand verringert die Lebenserwartung

Die Lebenserwartung von Frauen und Männern hat sich in den vergangen Jahrzehnten wieder mehr angeglichen. Lebten die Frauen in den siebziger Jahren noch rund sieben Jahre länger als die Männer, hat sich ihr Vorsprung inzwischen auf etwa fünf Jahre reduziert. Mediziner haben dafür eine einleuchtende Erklärung: der Berufsalltag der Männer ist ungefährlicher geworden, das so genannte starke Geschlecht lebt zunehmend gesundheitsbewusster, raucht weniger Zigaretten, trinkt weniger Alkohol und achtet auf einen ausgewogene Ernährung. Dagegen klafft die Lebenserwartung zwischen armen und reichen Menschen immer mehr auseinander. Wer schlecht ausgebildet ist und unterhalb der Armutsgrenze lebt, muss damit rechnen, in Deutschland sieben Jahre früher zu sterben als ein reicher Bürger. Bei Männern kann fehlender Wohlstand die Lebenserwartung sogar um elf Jahre verringern.

Die größte Gefahr für die Gesundheit ist die Zugehörigkeit zum Prekariat

Insgesamt ist die Lebensdauer von Menschen, die wenig Geld verdienen, in Deutschland um zwei Jahre zurückgegangen, während sie bei der Gesamtbevölkerung weiterhin leicht ansteigt. Die größten Gefahren für die Gesundheit sind hierzulande nicht mehr die Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Fettleibigkeit, Bluthochdruck oder der Anstieg des Cholesterins, sondern die Zugehörigkeit zum so genannten Prekariat. Wer arm ist, muss im reichen Deutschland früher sterben als der durchschnittliche Deutsche.

Selbstdisziplin bei der Ernährung, das Idealgewicht anstreben sowie die Teilnahme an einem Halbmarathon gelten längst als Kennzeichen eines Angestellten, der sich in der Arbeit für seine Firma verausgabt. In Deutschland, in einem Land, in dem theoretisch jeder Bürger bei einem Überangebot von Nahrungsmitteln genug zu essen haben müsste, zeugt es von Disziplin, wenn sich Menschen auf das Wesentliche konzentrieren und beim Essen Maß halten, anstatt der besinnungslosen Völlerei zu frönen.

Die Ungleichheit ist in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen

Wissenschaftler sehen zunehmend eine der Hauptursachen für Leid und frühen Tod in den Arbeitsverhältnissen und Lebensgestaltung der Betroffenen. Berufliche Unsicherheit, wirtschaftliche Krisen, die Angst um die eigene Existenz und finanzielle Not haben entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Studien haben ergeben, dass nach jeder Wirtschaftskrise mit einer Verzögerung zwischen eineinhalb und drei Jahren Herzinfarkte und Schlaganfälle zunehmen.

Statistiken über Rückenleiden belegen, dass vor allem die im Beruf unterdrückten und entwerteten davon betroffen sind. Angst und Unsicherheit im Leben erhöhen generell die Empfänglichkeit für Schmerzen. Auch psychische Erkrankungen der Arbeitnehmer häufen sich in zunehmendem Maße. Mitglieder des Prekariats können in Deutschland nicht auf Besserung hoffen, da der Niedriglohnsektor hierzulande so groß wie nie ist und weiter wachsen wird. Zudem hat der OECD-Report „Divided We Stand – Why Inequalitiy Keeps Rising“ belegt, dass in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts die Ungleichheit nirgendwo so stark zugenommen hat, wie in Deutschland und Dänemark.

Von Hans Klumbies