Erich Fromm begibt sich auf die Spur des Menschen

Erich Fromm stellt sich die Frage, was die Menschen tun können, um eine technologische Gesellschaft zu humanisieren. Um eine Antwort zu finden, muss man sich zuerst allerdings damit beschäftigen, was es eigentlich heißt, menschlich zu sein. Der Mensch war, und ist es noch immer, leicht dazu zu verleiten, eine bestimmte Form des Menschseins als dessen Wesen anzusehen. Erich Fromm schreibt: „In dem Maß, wie dies der Fall ist, definiert der Mensch sein Menschsein entsprechend der Gesellschaft, mit der er sich identifiziert.“ Aber es hat in der Geschichte der Menschheit immer wieder Menschen gegeben, die genügend Kühnheit und Fantasie hatten, um über die Grenzen der eigenen gesellschaftlichen Existenz hinauszublicken. Erich Fromm stellt einige Definitionen vor, die das spezifisch Menschliche in einem einzigen Begriff zu erfassen versuchten.

Der homo sapiens will den Kern der Phänomene verstehen

Es gibt eine Definition des Menschen als homo faber, den Werkzeugmacher. Dann hat man den Menschen auch als homo sapiens definiert. Sapiens bezieht sich dabei auf die Fähigkeit, das Denken dazu zu benutzen, bessere Möglichkeiten des Überlebens zu finden und etwas Erwünschtes zu erlangen. Man kann unter sapiens aber auch ein Wissen im Sinne eines Denkens verstehen, das den Kern der Phänomene zu begreifen sucht. Wenn es sich dabei um ein Denken handelt, nicht zum Zweck der Manipulation, sondern eines Verstehens, dann wäre der homo sapiens für Erich Fromm in der Tat eine zutreffende Definition des Menschen.

Eine weitere Definition des Menschen lautet homo negans, der Mensch, der nein sagen kann, wenngleich die meisten Menschen laut ja sagen, wenn es um ihr Überleben oder ihren Vorteil geht. Erich Fromm erklärt: „Hinsichtlich des menschlichen Potentials jedoch unterscheidet sich der Mensch von allen anderen Lebewesen durch seine Fähigkeit, nein zu sagen uns selbst auf Kosten seines physischen Überlebens für Wahrheit, Liebe und Integration einzustehen.

Der Mensch wird möglicherweise ein ewiges Rätsel bleiben

Auch wenn man den erwähnten Definitionen weitere hinzufügen würde, könnte man keine endgültige Aussage darüber machen, was es bedeutet ein Mensch zu sein – vielleicht wird dies nie möglich sein. Man kann sich seines Menschseins dennoch voll bewusst sein wie Terenz es ausdrückt: „Dass ich ein Mensch bin und nichts Menschliches mir fremd ist.“ Jeder trägt alle Möglichkeiten des Menschseins in sich, den Heiligen ebenso wie den Verbrecher. Daraus wird überdeutlich wie verschieden die Menschen sein können.

Es gibt für Erich Fromm zwei zusammenhängende Bedingungen für die menschliche Existenz. Die erste ist die ständige Verminderung der Determination durch die Instinkte, je höher die Menschheit auf der Stufenleiter der Evolution der Lebewesen emporsteigt. Die zweite ist die enorme Zunahme des Gehirns hinsichtlich seiner Größe und Komplexität im Vergleich zum Körpergewicht. Das vergrößerte Gehirn ist die Voraussetzung dafür, dass sich der Mensch seiner selbst bewusst wird, sein Vorstellungsvermögen und alle jene Fähigkeiten entwickeln kann, die wie die Sprache und die Bildung von Symbolen für die menschliche Existenz charakteristisch sind.

Kurzbiographie: Erich Fromm

Erich Fromm wurde am 23. März 1900 in Frankfurt am Main geboren. Vor seinem Jurastudium an der Frankfurter Universität beschäftigte er sich stark mit dem Talmud. Da er sich mit dem Studium der Rechte nicht sehr anfreunden konnte, ging er nach Heidelberg um Soziologie zu studieren. 1922 promovierte er mit einer Dissertation über „Das jüdische Gesetz“. 1926 heiratet er die Psychiaterin Frieda Reichmann und absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung. 1929 wurde Erich Fromm zum Mitbegründer des Süddeutschen Instituts für Psychoanalyse in Frankfurt.

Im Jahr 1933 hielt Erich Fromm Gastvorlesungen an der Universität von Chicago und ließ sich ein Jahr später in New York nieder. 1941 erschien sein Buch „Die Furcht vor der Freiheit“, durch das er berühmt wurde. 1947 publizierte er sein bedeutendes Werk „Psychoanalyse und Ethik“. 1951 wurde Erich Fromm Professor für Psychoanalyse an der Autonomen Universität von Mexiko. 1955 erschien sein drittes Hauptwerk „Der moderne Mensch und seine Zukunft“. Seinen größten publizistischen Erfolg erzielt Fromm allerdings mit seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ (1956). Sehr bekannt geworden ist auch sein Spätwerk „Haben oder sein“ von 1976. Erich Fromm der seit 1974 in Locarno, in der Schweiz, lebte, starb am 18. März 1980.

Von Hans Klumbies