Erich Fromm stellt das Paradoxe und Wesen der Hoffnung vor

Die Hoffnung ist für Erich Fromm von paradoxer Gestalt. Sie ist weder ein untätiges Warten noch ein unrealistisches Herbeizwingenwollen von Umständen, die nicht eintreffen können. Sie gleicht seiner Meinung nach einem kauernden Tiger, der erst losspringt, wenn der Augenblick zum Springen gekommen ist. Erich Fromm fügt hinzu: „Weder ein müder Reformismus noch ein pseudo-radikales Abenteurertum ist ein Ausdruck von Hoffnung. Hoffen heißt, jeden Augenblick bereit sein für das, was noch nicht geboren ist, und trotzdem nicht verzweifeln, wenn es zu unseren Lebzeiten nicht zur Geburt kommt.“ Es hat für ihn keinen Sinn, auf etwas zu hoffen, was bereits existiert oder was nicht sein kann. Erich Fromm behauptet, dass ein Mensch mit einer schwachen Hoffnung, sich entweder für das Bequeme oder für die Gewalt entscheidet.

Es gibt eine bewusste und eine unbewusste Hoffnung

Wer dagegen von einer starken Hoffnung gesegnet ist, erkennt und liebt alle Zeichen neuen Lebens und ist jederzeit bereit, was zur Geburt bereit ist, ins Licht der Welt zu helfen. Einer der Hauptgründe, dass eine solche Verwirrung über den Begriff der Hoffnung herrscht, ist laut Erich Fromm derjenige, dass die Menschen nicht zwischen bewusster und unbewusster Hoffnung unterscheiden. Erich Fromm ergänzt: „Dieser Irrtum zeigt sich natürlich auch in bezug auf viele andere emotionale Erfahrungen wie Glück, Angst, Depression, Langeweile und Hass.“

Die meisten Menschen gestehen es sich gemäß Erich Fromm nicht einmal ein, dass sie Gefühle von Angst, Langeweile, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit haben, das heißt, diese Emotionen sind für sie im Unterbewusstsein verankert. Für diese Tatsache nennt Erich Fromm einen einfachen Grund: „Unser gesellschaftliches Vorbild ist so beschaffen, dass der Erfolgreiche keine Angst haben und sich nicht gelangweilt oder einsam fühlen darf. Er muss diese Welt für die beste aller Welten halten.“

Die Sozialpsychologie interessiert sich für die Charakterstruktur des Menschen

Es gibt auch viele Menschen, die sich bewusst hoffnungsvoll und unbewusst hoffnungslos fühlen. Nur für wenige trifft das Gegenteil zu. Bei der Untersuchung der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit geht es laut Erich Fromm nicht primär darum, was die Menschen über ihre Gefühle denken, sondern darum, was sie wirklich fühlen. Das lässt sich am wenigsten leicht an ihren Worten und Phrasen ablesen, aber man kann es an ihrem Gesichtsausdruck erkennen.

Das Interesse der Sozialpsychologie richtet sich auf die Charakterstruktur des Menschen, das heißt auf die relativ gleichbleibende Struktur seiner Energien, auf die Richtungen, in die sie gelenkt werden und auf die Intensität, mit der sie strömen. Erich Fromm erklärt: „Wenn wir die Triebkräfte kennen, die das Verhalten eines Menschen motivieren, dann verstehen wir nicht nur sein gegenwärtiges Verhalten, sondern wir können auch vernünftige Vermutungen darüber anstellen, wie er sich unter veränderten Umständen verhalten würde.“ Wenn man seine Charakterstruktur kennt, kann man auch überraschende Veränderungen im Denken oder Verhalten eines Menschen vorhersehen.

Kurzbiographie: Erich Fromm

Erich Fromm wurde am 23. März 1900 in Frankfurt am Main geboren. Vor seinem Jurastudium an der Frankfurter Universität beschäftigte er sich stark mit dem Talmud. Da er sich mit dem Studium der Rechte nicht sehr anfreunden konnte, ging er nach Heidelberg um Soziologie zu studieren. 1922 promovierte er mit einer Dissertation über „Das jüdische Gesetz“. 1926 heiratet er die Psychiaterin Frieda Reichmann und absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung. 1929 wurde Erich Fromm zum Mitbegründer des Süddeutschen Instituts für Psychoanalyse in Frankfurt.

Im Jahr 1933 hielt Erich Fromm Gastvorlesungen an der Universität von Chicago und ließ sich ein Jahr später in New York nieder. 1941 erschien sein Buch „Die Furcht vor der Freiheit“, durch das er berühmt wurde. 1947 publizierte er sein bedeutendes Werk „Psychoanalyse und Ethik“. 1951 wurde Erich Fromm Professor für Psychoanalyse an der Autonomen Universität von Mexiko. 1955 erschien sein drittes Hauptwerk „Der moderne Mensch und seine Zukunft“. Seinen größten publizistischen Erfolg erzielt Fromm allerdings mit seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ (1956). Sehr bekannt geworden ist auch sein Spätwerk „Haben oder sein“ von 1976. Erich Fromm der seit 1974 in Locarno, in der Schweiz, lebte, starb am 18. März 1980.