Verzweifelte Eltern zittern um die Karrieren ihrer Kinder

Ehrgeizige Eltern befürchten, dass selbst ein Bachelor nicht mehr für einen guten Job reicht. Sie klagen, dass es in Deutschland nicht genügend Master-Studiengänge gibt. Die Sorgen der Eltern beginnen oft schon bei der Auswahl des richtigen Kita-Platzes. Es folgt die Suche nach der passenden Grundschule und einem angesehenen Gymnasium. Meist befinden sie sich zwischen Hoffen und Bangen, das richtige Plätzchen für ihren Nachwuchs zu ergattern. Viele Eltern, die immer nur das Beste wollen, haben Angst, sind nervös und angespannt, wenn es um die Ausbildung ihrer Kinder geht. In England hat der Soziologe Frank Furedi von der University of Kent für dieses Elternverhalten den Ausdruck „Paranoid Parenting“ geprägt.

Eine gute Bildung garantiert ein höheres Einkommen

Frank Furedi vertritt die These, dass sich Eltern heute um ihre Kinder so intensiv kümmern, wie keine andere Generation vor ihnen, oft viel zu viel. Der Wirtschaftswissenschaftler Ludger Wössmann dagegen glaubt, dass die gestiegene Angst der Eltern um die Karrieren ihres Nachwuchses nichts mit Paranoia oder Hysterie zu tun hat. Er sagt: „Sie ist sehr rational. Das Bewusstsein dafür, dass eine gute Ausbildung eine hohe Bedeutung hat, ist enorm gestiegen.“ Als Faustregel gilt: Je höher die Bildung, desto höher das Einkommen.

Laut Ludger Wössmann bringt jedes zusätzliche Jahr mehr Bildung eine lebenslange jährliche Mehrrendite von acht Prozent. Die meisten Eltern wissen inzwischen auch, dass eine gute Ausbildung vor Arbeitslosigkeit schützt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat herausgefunden, dass nur 2,5 Prozent der Akademiker arbeitslos sind. Wenn Eltern die Erziehung ihrer Kinder als ein Unternehmen verstehen, das Risiko für ihre Kinder zu minimieren, ist eine gute Ausbildung unverzichtbar.

Viele Eltern geraten in die Machbarkeitsfalle

Auch die Leiterin der Textorschule in Frankfurt, Christa Kerber, hat festgestellt, dass die Eltern immer besorgter um die Zukunft ihrer Kinder werden. Sie sorgen sich um einen guten Abschluss, um eine noch bessere Ausbildung und am Ende der Ausbildungskarriere sollte das Kind einen Top-Job bekommen. Laut Christine Henry-Hutmacher, Soziologin an der Konrad Adenauer Stiftung, kommt noch etwas anderes hinzu, das sie Ängste der Eltern erklärt: „Es gibt keine normierten Lebensverläufe mehr, sonder so viele Möglichkeiten wie nie zuvor.“

Doch es gibt nicht nur eine unübersichtliche Flut von Ausbildungsmöglichkeiten, sondern auch von Zertifikaten, ohne die im Berufsleben fast gar nichts mehr geht. Nur die Eltern wissen oft nicht, welches Zertifikat für ihre Kinder das richtige ist. Christine Henry-Hutmacher ergänzt: „Darüber hinaus identifizieren sich Eltern heute über die Maßen mit ihren Kindern. Sie können nicht loslassen.“ Dadurch gewinne die Angst, die Sorge, das Zittern und Bangen eine ungesunde Eigendynamik. Die Soziologin erklärt, das viele Eltern auch in die so genannte Machbarkeitsfalle geraten, indem sie nach folgender Devise handeln: Ein Kind kann und muss gelingen, es darf sich keine Chance entgehen lassen und nichts falsch machen.

Von Hans Klumbies