Facebook wirkt auf die Einsamkeit wie ein Verstärker

Schon immer gibt es die Einsamkeit und Menschen die daran leiden. Das ist nicht neu. Neu ist die Frage, was die Technologisierung der Welt mit ihnen macht. Lange sah es danach aus, als ob das Internet die Menschen einsam machen würde. Der israelische Psychologe Yair Amichai-Hamburger stellt fest: „So verschieden die Menschen sind, so verschieden reagieren sie auf das Netz.“ Wer im Leben ein blendender Unterhalter ist, gilt auch im Internet schnell als Star. Diese Meister der Kommunikation verabreden sich, sie daten und flirten. Die Scheuen, Pessimisten, Ängstlichen dagegen bleiben auch im Netz bloß Zuschauer. Was ihr Leben bloß noch trostloser werden lässt. Es ist die Facebook-Depression: Allen geht es wunderbar. Nur das eigene Leben ist Mist. Doch die allermeisten wissen mit dem Internet und der Digitalisierung umzugehen, sehr zu ihrem Vorteil.

Internetspieler verstehen oftmals die Regeln der realen Welt nicht

Aber wer viel Zeit bei Facebook verbringt, ist tatsächlich einsamer. Aber das Internet verursacht die negativen Gefühle nicht. Sie existierten schon vorher. Facebook wirkt auf die Einsamkeit wie ein Verstärker. Es macht aus wenig sehr schnell sehr viel. Auf die Frage, ob das Internet die Menschen einsam macht, antwortet der Psychologe Manfred Beutel vom Uniklinikum Mainz: „Ich bin da entspannt.“ Professor Manfred Beutel hat 2.400 Heranwachsende zwischen 12 und 18 Jahren begleitet. Rund 14 Prozent davon haben exzessiv im Internet gespielt, aber wirklich süchtig sei eine Minderheit von vier Prozent gewesen.

Oft hat es bei den spielsüchtigen Jugendlichen vorher gekracht. Die Familie ging kaputt, Mitschüler haben sie verspottet. Die Spiele sind dann nicht Auslöser, sondern Ausweg. Spiele entwerfen eine schöne neue Welt mit klaren Regeln, die all jene anzieht, die die Regeln der echten Welt nicht verstehen. Warum diese Klamotten als cool gelten und dieser Spruch als lässig. Für die sozial Ängstlichen wird der Bildschirm zum Schutzschild. Für den Rest der Heranwachsenden ist intensives Spielen eine Phase wie Serienschauen oder Verliebtsein.

Der Mensch ist ein soziales Wesen

Die Kommunikationswissenschaftlerin Emese Domahidi vom Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien erklärt: „Langfristig waren den Jugendlichen andere Dinge wichtiger: Familie, Freunde, Sport.“ Wer heute jung ist, trifft Freunde online genauso wie auf dem Sportplatz. Nun kann virtueller Kontakt natürlich echten nie ersetzen. Menschen, die in ein gutes Gespräch vertieft sind, imitieren ihr Gegenüber: Sie lehnen den Kopf zur Seite, sie gehen im Gleichschritt. Wissenschaftler nennen das Resonanz, und dieser Ausdruck tiefster Verbundenheit existiert online nicht.

Selbst beim Videochat richten sich die Augen nicht aufeinander, sondern auf eine Kamera. Es gibt keinen Geruch, keine Berührung. Es ist eine vollkommen, unvollkommene Erfahrung. Dennoch gilt: Lieber online kommunizieren als gar nicht. Denn, und das ist die eigentlich gute Nachricht: Ein paar der Einsamen werden ein bisschen geselliger. Der Mensch ist ein „animal sociale“, ein soziales Wesen. Er braucht Gefährten, um glücklich zu sein. Ohne die Gruppe war schon der Urmensch in einer extrem feindlichen Umgebung verloren. Das ist heute nicht anders. Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies