Einsamkeit verursacht die verschiedensten Krankheiten

Einsamkeit ist eine weltweite Epidemie. Laut einer vergleichenden Umfrage hat sich zumindest in den USA die Zahl der Menschen, die keinen Vertrauten haben, mit dem sie über wichtige Dinge reden können, in weniger als zwei Jahrzehnten, von 1985 bis 2004, fast verdreifacht. Der Hirnforscher und Neurowissenschaftler Giovanni Frazzetto stellt fest: „Einsamkeit kann genauso wie Rauchen, Fettleibigkeit, Bewegungsmangel oder Luftverschmutzung zu einem frühen Tod führen.“ Die Einsamkeit schädigt den Körper eines Menschen und verändert seine Wahrnehmung der Welt und wie er mit ihr interagiert. Sie verursacht Erschöpfung und Schlafstörungen und geht einher mit Stress, Angst und Depressionen. Sie wird mit erhöhtem Blutdruck und Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems in Verbindung gebracht. Sei begünstigt zelluläre Entzündungsreaktionen und schwächt die Immunabwehr. Sie kann sogar zu geistigem Verfall und schließlich Demenz führen.

Viele Menschen möchten das Schicksal bestechen

Menschen bewohnen die Welt, teilen sie, nehmen sie wahr und interagieren mit ihr nicht nur mit dem Kopf, sondern mit ihrem gesamten Körper. Die Wechselhaftigkeit des Lebens und wie man darauf reagiert, geht auf Kosten des Gleichgewichts von Körper und Geist und wirkt sich auf die Funktion von Organen, Gewebe und Zellen aus. Während sich der Sympathikus „einschaltet“, wenn man mit Gefahr oder einem Notfall umgehen muss, hilft das parasympathische Nervensystem dabei, Abstand von der Welt zu gewinnen, und dominiert, wenn man es sich leisten kann, sich zu entspannen.

Der Parasympathikus übt Funktionen aus, die nicht der Aufmerksamkeit eines Menschen bedürfen, wie Herzschlag, Atmung und Verdauung. Giovanni Franzzetto erklärt: „Wenn wir auch ohne Sorgen oder Stress ständig auf der Hut sind, verübelt uns das der Parasympathikus. Wir können uns nicht entspannen.“ Wer sich nicht entspannen kann, wird auch nicht glücklich werden. Es ist leicht, sich einen glücklichen Moment als durch ein unberechenbares Schicksal herbeigeführt vorzustellen. Gleichzeitig wünschen viele Menschen, sie könnten das Schicksal bestechen, es in ein erkennbares, vorteilhaftes Muster verwandeln, das zu ihren Zielen passt.

Einsamkeit macht verwundbar für Ablehnung

Giovanni Frazzetto ergänzt: „Wir versuchen von Natur aus, den unaufhörlichen Schrei der Ungewissheit zum Schweigen zu bringen. Wir würden Anfänge und Ausgänge gern vorhersagen, die Zukunft festnageln, selbst in Liebesdingen unseren Durst nach endgültigen Antworten stillen – als würde es reichen, eine Strategie zu verfolgen, um ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen.“ Einsamkeit dagegen trübt den Blick. Sie wird zu einem trügerischen Filter, durch den man sich selbst, andere und die Welt sieht. Sie macht einen Menschen verwundbar für Ablehnung und erhöht seinen allgemeinen Wachsamkeitspegel und seine Unsicherheit in sozialen Situationen.

Eine zu große Isolation stört die Fähigkeit eines Menschen, Emotionen zu erkennen, zu verstehen und zu deuten. Giovanni Frazzetto weiß: „Wenn wir mit Bildern konfrontiert werden, die vier grundlegende Emotionen zeigen – Glück, Angst, Wut und Traurigkeit –, sind einsame Menschen weniger gut darin, sie zu interpretieren, als nicht einsame.“ Je einsamer sie sind, desto schlechter ihre Fähigkeit, sie zu unterscheiden. Wenn man einsam ist, ist man auch weniger gut in der Lage, sich positive Erfahrungen zunutze zu machen. Quelle: „Nähe“ von Giovanni Frazzetto

Von Hans Klumbies