Unterschiedlichste Interessen begleiteten die Einführung des Euro

Bei der Gründung der Europäischen Währungsunion haben sich nicht nur Politiker, sondern auch Zentralbanker und Finanzfachleute verrechnet. Sie gingen von der irrigen Annahme aus, man könne zunächst elf, dann siebzehn, später sogar achtzehn Nationalstaaten in einem System fester unveränderlicher Wechselkurse vereinen und die negativen Folgewirkungen durch kluge Arrangements der Institutionen im Griff behalten. Dominik Geppert kritisiert: „Dem stand von Anfang an die Tatsache entgegen, dass die Mitgliedsstaaten der Währungsunion sich in ihren kulturellen und politischen Traditionen, in den vorherrschenden Mentalitäten und Denkweisen gewaltig voneinander unterschieden.“ Außerdem besaßen die Länder verschiedene Verwaltungs-, Steuer- und Sozialsysteme. Auch bei der Ausgestaltung des Arbeitsmarktes wichen sie stark voneinander ab. Dominik Geppert ist sein 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

Frankreich wollte sich von der D-Mark als europäischer Leitwährung befreien

Das diese Differenzen ignoriert und vernachlässigt wurden, war und ist laut Dominik Geppert der entscheidende Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion. Alle weiteren Probleme und Schwierigkeiten folgten daraus. Dominik Geppert weist darauf hin, dass an vielen Orten ganz konkrete Interessen mit der Gemeinschaftswährung in Europa verbunden wurden. Er nennt ein Beispiel: „In Frankreich sah man darin eine Chance, von der D-Mark als europäischer Leitwährung loszukommen und die währungspolitische Hegemonie der Bundesbank abzuschütteln.“

In vielen Ländern Südeuropas verband sich mit dem Euro die Erwartung, mit dem deutschen Modell der Geldpolitik auch den Erfolg der deutschen Wirtschaft zu importieren. Länder wie Italien oder Griechenland wollten aus den niedrigen Zinsen Profit schlagen und dadurch ihre Staatshaushalte um gewaltige Beträge entlasten. Ihr Plan war, die eigenen Wirtschaftsstrukturen zu erneuern und mehr Investitionen aus dem Ausland anzulocken. Außerdem bestand die Hoffnung, in der Währungsunion werde sich auch umgekehrt das deutsche Wirtschaftsgebaren den eigenen Vorstellungen angleichen.

Die Europäische Zentralbank sollte allein auf den Erhalt des Geldwertes ausgerichtet sein

Auch in Deutschland waren manche für die Einführung des Euro, weil sie sich praktische Vorteile erhofften. Dominik Geppert erklärt: „Die Industrie erwartete, der Euro werde schwächer als die D-Mark sein und daher den Absatz deutscher Waren im Ausland erleichtern. Die Finanzwirtschaft sah in einem gemeinsamen Währungsraum die Chance, in die Nachbarländer zu expandieren.“ Aber es gab auch gewichtige Gegenstimmen, vor allem aus der Bundesbank, die Zweifel hatten, ob eine europäische Währung mit den bewährten Traditionen deutscher Geldpolitik vereinbar sein würde.

Als Gegenleistung für die Aufgabe der D-Mark verlangte die Bundesregierung, dass die Europäische Zentralbank ihren Sitz in Frankfurt einrichtete. Sie wurde nach dem Vorbild der Bundesbank konstruiert. Dominik Geppert erläutert, was das bedeutet: „Sie sollte nur auf den Erhalt des Geldwertes ausgerichtet sein und sich auf keinerlei andere Aufgaben – etwa in der Konjunktur- oder Arbeitsmarktpolitik – einlassen.“ Die Konzeption einer unabhängigen Notenbank, die von den Einflüssen der Politik freigehalten wurde, fand auch außerhalb Deutschlands breite Unterstützung.

Von Hans Klumbies