Der Souverän sollte über die Euro-Politik abstimmen

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, erläutert in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“, warum eine Volksabstimmung über die Euro-Politik notwendig ist. Zu Beginn seines Artikels stellt der Autor fest, dass die bundesdeutsche Demokratie noch nie in einem so schlechten Zustand war wie heute. Er fordert die Menschen dazu auf, nicht zuzulassen, dass die Demokratie und Europa gleichzeitig verkommen. Dirk Kurbjuweit nennt den Grund: „Demokratie und europäische Integration sind die Grundlagen unseres Staates.“ Der Autor stellt außerdem fest, dass die Rettungspolitik für den Euro das Machtgefüge des Staates verändert hat. Als Sieger ist die Exekutive hervorgegangen, also die Regierung. Im Zirkel der Staats- und Regierungschefs fallen die großen Entscheidungen, die meist in bilateralen Gesprächen vorbereitet werden.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts sind die Aufsichtsräte der deutschen Politik

Dirk Kurbjuweit kritisiert, dass ein Leitmotiv dieser Exekutive der Wille zur Mauschelei ist. Angela Merkel lässt zum Beispiel über Beschlüsse zum Rettungsschirm abstimmen, die teilweise schon längst überholt sind. Der Verlierer der Rettungspolitik für den Euro ist das Parlament. Dirk Kurbjuweit schreibt: „Die Abgeordneten sind nicht dabei, wenn in Brüssel verhandelt und entschieden wird. Sie durchschauen nicht einmal halbwegs, was passiert und was passieren müsste, weil ihnen der Apparat dafür fehlt, und das im zentralen Bereich des Parlamentarismus, der Haushaltspolitik.“

Deshalb können die Parlamentarier kaum noch ihre eigentliche Aufgabe bewältigen, nämlich die Regierung zu kontrollieren. Der zweite Sieger bei dem Gerangel um die Euro-Rettung ist das Bundesverfassungsgericht. Dirk Kurbjuweit bemängelt: „Die Richter dort sind mehr denn je der Aufsichtsrat der deutschen Politik, ihr korrigierendes Eingreifen ist fast schon zur Regel geworden, und so war ihre Rolle nicht gedacht.“ Das Leitmotiv der Richter ist seiner Meinung nach allerdings die reine Funktionstüchtigkeit, wodurch sie in der Europapolitik bislang fast zu einem Regierungsorgan geworden sind.

Die Demokratie kann bei einer Volksabstimmung nur gewinnen

Der zweite Verlierer in der Euro-Politik ist auf jeden Fall der Bürger, der in Wahrheit der eigentliche Souverän sein sollte. In einer repräsentativen Demokratie sollte er eigentlich die Macht über das Parlament ausüben. Der Bürger ist auch deswegen so machtlos geworden, weil die Politik eine so komplexe Rettungsstruktur geschaffen hat, die niemand mehr durchblickt. Dirk Kurbjuweit stellt fest: „So verfügt die deutsche Demokratie derzeit über einen ratlosen Souverän und ein überfordertes Parlament, das von einer etwas weniger überforderten Regierung sowie von den Finanzmärkten dominiert wird.“

Dirk Kurbjuweit vertritt die These, dass die Deutschen ihre Demokratie mit der europäischen Integration versöhnen können. Dafür müssten sie allerdings gefragt werden. Wenn es um ganz große Fragen geht, sollte seiner Meinung nach die Stunde des Souveräns schlagen. Im Moment stellt sich solch eine große Frage: „Ist der Souverän bereit, Souveränität nach Europa zu verlagern, damit eine vernünftige Euro-Politik möglich wird.“ Die Demokratie kann laut Dirk Kurbjuweit bei einer solchen Volksabstimmung nur gewinnen, die europäische Integration kann auch gewinnen, aber auch ein Stück weit verlieren. So sind die Gewichte richtig verteilt, denn im Zweifelsfall geht die Demokratie immer vor.

Von Hans Klumbies