Die protestantische Ethik enthält das Gebot des Sparens

Das Gebot des Sparens war früher Bestandteil eines größeren kulturellen Rahmens: der von Max Weber beschriebenen protestantischen Ethik. Die Mehrung von Wohlstand war demnach nicht wichtig, weil man ihn genießen konnte, sondern weil er ein Zeichen für gute Lebensführung war. Matthew B. Crawford erklärt: „Gott hatte die Welt so eingerichtet, dass der Zustand der Seele an der Geldbörse erkennbar war: Reichtum war also ein Beweis dafür, dass ein Mensch auserwählt war.“ Im Frühkapitalismus gab es generell eine vollkommene Geringschätzung für den Verschwender. Benjamin Franklin forderte: „Sei sparsam und frei.“ Der republikanische Bürger war stolz auf seine Freiheit und fürchtete sich vor Schulden, die sie beeinträchtigen konnten. Denn der Schuldner kann dem Mann, dem er Geld schuldet, nicht offen seine Meinung sagen. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

Die Ratenzahlung machte zuvor undenkbaren Erwerb möglich

Der Schuldner muss das Wohlwollen seines Gläubigers gewinnen und auf dessen Geduld hoffen. Aber das offene Wort, die „freie Rede“, ist die Grundlage für die sozialen Beziehungen in der Demokratie. Der Stolz der Demokraten beruht darauf, dass er niemanden schmeicheln muss. Es gab also eine in der vorherrschenden Religion und der politischen Psychologie der verwurzelte kulturelle Hilfsvorrichtung, die der Sparsamkeit diente. In die Kultur eingebettete moralische Normen gaben dem Leben in der Frühzeit der Vereinigten Staaten eine bestimmte Form.

Die Erfindung des Konsumkredits Anfang des 20. Jahrhunderts trug dazu bei, diese Vorrichtung abzubauen. Der Historiker Jackson Lears hat beschreiben, wie diese Neuerung durch Ratenzahlung zuvor undenkbaren Erwerb möglich machte. Mehr noch: Es wurde normal, sich zu verschulden. Die durch kulturelle Vorrichtungen ausgedrückten und verstärkten Normen wiederholen sich fraktalartik entlang verschiedener Achsen des sozialen Lebens und sind insofern stabil. Gemeinsam bilden sie den Rahmen für eine mehr oder weniger kohärente Form des ethischen Lebens, etwa den protestantischen Republikanismus.

Der Charakter entsteht durch Gewohnheiten

Das Wort „Charakter“ stammt von einem griechischen Wort ab, das „Stempel“ bedeutet. Ursprünglich bezeichnete der Begriff Eigenschaften, die durch Erfahrungen und Reaktionen eines Menschen auf verschiedenartige Erlebnisse geprägt werden. Matthew B. Crawford erläutert: „Mit dem Charakter waren also keine angeborenen Eigenschaften gemeint. Der Charakter ist demnach eine Art von Vorrichtung, die durch Gewohnheit entsteht und zu einem zuverlässigen Muster von Reaktionen auf unterschiedlichste Situationen wird.“

Aber natürlich gibt es Grenzen. Der Charakter wird „auf die Probe gestellt“ und kann versagen. Unter bestimmten Umständen kann das Verhalten eines Menschen sogar „seinem Charakter widersprechen“. Dennoch gibt es etwas, was man allgemein als Charakter bezeichnet. Die Gewohnheit scheint von innen nach außen zu arbeiten, vom Verhalten zur Persönlichkeit. Das Ideal der Freiheit von äußeren Einflüssen berücksichtigt nicht alle Elemente, die für vortreffliche menschliche Leistungen benötigt werden. Quelle: „Die Wiedergewinnung des Wirklichen“ von Matthew B. Crawford

Von Hans Klumbies